Mit Gotthold Ephraim Lessings Klassiker „Nathan der Weise“ feierten die diesjährigen Clingenburg-Festspiele am Donnerstag noch einmal Premiere. Mit der letzten von insgesamt sechs Eigenproduktionen in dieser Spielzeit verabschiedet sich auch Marcel Krohn nach zehn Jahren als Intendant. „Ein Feuerwerk“ hat er nach eigener Aussage seinem Publikum im 25. Jahr des Bestehens der Freilichtspiele bieten wollen, und dieses hat zweifellos gezündet. Das Finale mit Lessings epochalem Bühnenwerk ist – in der Inszenierung des Intendanten – ein leidenschaftlicher Aufruf zu Menschlichkeit und Toleranz.
Fast ein Vierteljahrtausend, nachdem Lessing mit „Nathan der Weise“ eines der eindringlichsten dramatischen Werke der Aufklärung schuf, steckt das Stück noch immer voller Aktualität.
In Zeiten schlimmster Konflikte
Im Jerusalem der Kreuzzugszeit treffen mit dem Juden Nathan, dem Sultan Saladin und einem jungen Tempelherren (also Kreuzritter) drei Vertreter von Weltreligionen in Zeiten schlimmster Konflikte aufeinander. In einem Klima von Misstrauen und Ablehnung passiert es zwar, dass der Tempelherr in einem lebensmüden Moment Nathans Tochter Recha aus dem Feuer rettet, den Dank will er dennoch aus religiösem Dünkel nicht akzeptieren.
Allein Nathans ruhige, doch kraftvolle Überzeugung, jeder sei, seiner Abstammung und Religion ungeachtet, in erster Linie Mensch, bringt nach und nach die verschiedenen Akteure zusammen. Am Ende kann ihn seine tiefe Überzeugung auch selbst aus mehreren brenzligen Situationen retten, nicht zuletzt durch die berühmte Ringparabel.
Flüssig und überzeugend inszeniert, mit hervorragenden Darstellern, kann „Nathan der Weise“ (eindrucksvoll in der Hauptrolle: Joachim Henschke) seinen Ruf nach Menschlichkeit auf der Clingenburg zu Gehör bringen.
In der Zwickmühle
Verwicklungen rund um die Familiengeschichte des Sultan Saladin (Manuel Lopez) und seiner Schwestern (Jasmin Alshaibani und Kumari Helbling), die geheime Abstammung von Nathans Ziehtochter Recha (Franziska Lißmeier) sowie die Vergangenheit des jungen Tempelherren (Alexander Ruttig) sorgen dann vor allem nach der Pause für ordentlich Spannung, die noch von den Intrigen der christlichen Gesellschafterin Rechas (Ramona Schmid) befeuert wird und des machthungrigen Patriarchen (Konrad Adams), der einen Klosterbruder (Werner Wulz) auf Nathans Vernichtung ansetzt und diesen damit in die Zwickmühle von Gehorsam und Gewissen bringt.
Als Derwisch Al Hafi, der sich aus den Konflikten befreit, um unter „Menschen“ arm am Ganges zu leben ist Ilya Sadykov zu sehen. Sehenswert und eindrücklich: Lass dich umarmen, Mensch!
Auf dem Spielplan bis 12. August. Karten Tel. (0 93 72) 30 40 oder 92 12 59