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BERLIN
Nadine Gordimer: Wenn ein Held der schwarzen Befreiungsbewegung schwer fehlt
Nadine Gordimer: Allwissende Erzählerin?
Foto: dpa | Nadine Gordimer: Allwissende Erzählerin?
dpa
 |  aktualisiert: 15.10.2012 18:30 Uhr

Nadine Gordimer ist die große alte Dame der südafrikanischen Literatur. Den größten Teil ihres Lebens kämpfte sie gegen die diskriminierende Apartheidpolitik ihres Landes an. Es ist der rote Faden, der sich durch das Werk der bald 90-jährigen Nobelpreisträgerin von 1991 zieht. Nun ist die Apartheid seit zwei Jahrzehnten Vergangenheit. Der große Kampf ist vorbei. Aber eine heile Welt entstand deshalb noch lange nicht. Andere Konflikte blieben oder traten auf den Plan: überbordende Kriminalität, Korruption, Vetternwirtschaft, Aids. Genau um dieses problembeladene Südafrika der Nach-Apartheid- und Nach-Mandela-Zeit geht es in Gordimers Roman „Keine Zeit wie diese“, der jetzt auf Deutsch erschienen ist.

Im Zentrum steht ein erfolgreiches Mittelstands-Paar. Steve ist weißer Südafrikaner, Sohn eines Christen und einer Jüdin. In Zeiten der Apartheid kämpfte er auf Seiten der Schwarzen im Untergrund, setzte sein Chemie-Wissen zum Bombenbasteln ein. Heute arbeitet er ganz friedlich als Professor an der Universität. Als Steve noch im Untergrund lebte, lernte er die schwarze Jabulile kennen, Tochter eines methodistischen Schulleiters, der ihr eine exzellente Ausbildung im Ausland ermöglichte. Inzwischen ist sie erfolgreiche Juristin.

Aus den Untergrundkämpfern von damals, die mit ihrer Beziehung gegen die Rassengesetze verstießen, ist ein gutbürgerliches Akademikerpaar geworden, Kinder und Haus in der Vorstadt inklusive. Die Probleme, die die beiden heutzutage umtreiben, scheinen eher banal.

Soll Jabulile in traditioneller Tracht oder im Hosenanzug zur Arbeit gehen? Soll ihr Sohn eine traditionelle Jungenschule besuchen? Sollen Steve und Jabulile nach Australien auswandern oder doch lieber ihrem Land die Treue halten? Alles Fragen, die sie zwanzig Jahre vorher wahrscheinlich lachhaft gefunden hätten, die jetzt aber ihren Alltag bestimmen. Nicht alles jedoch lässt sich so leicht wegwischen. In einer Schlüsselszene des Romans hat Jabulile eine höchst unerfreuliche Unterredung mit ihrem Vater. Dabei geht es um den südafrikanischen Präsidenten Zuma. Dieser wurde 2005 beschuldigt, die aidskranke Tochter eines früheren Genossen missbraucht zu haben. Zuma wurde am Ende freigesprochen.

In Gordimers Roman wird dieser authentische Fall als empörendes Beispiel für Doppelmoral angeführt. Zuma war einst ein Held der schwarzen Befreiungsbewegung, jetzt aber hat er schwer gefehlt. Diese Wahrheit muss man sagen dürfen. Jabuliles Vater aber sperrt sich gegen diese schmerzhafte Erkenntnis.

Vom Verlag wird Gordimers Alterswerk als ihr gewichtigster politischer Roman angepriesen. Das ist aber genau das Problem. Das Buch ist vor allem ein politisches Statement, keine Geschichte, die den Leser in den Bann zieht. Immer wieder wird auf ermüdende Weise doziert. Gordimer gibt die allwissende Erzählerin. Wer sich in der aktuellen südafrikanischen Innenpolitik nicht so gut auskennt, verliert leicht den Anschluss und das Interesse.

Zudem bleibt Gordimers Sprache weit hinter den Möglichkeiten zurück. Zu ungeordnet und hastig hingeworfen, oft von langen Einschüben unterbrochen, werden die Sätze aneinandergereiht.

Nadine Gordimer: Keine Zeit wie diese (Berlin Verlag, 498 S., 22,99 Euro)

 
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