Die private Geste des Kammerkonzerts der Tage der Neuen Musik, dieses Jahr mit „Tiepolo und die Kontinente“ übertitelt, spiegelte sich am Freitag auch in der Besucherzahl: Um im Theater Bibrastraße Intimes für Gitarre, Akkordeon und Saxofonquartett sowie ein inspirierendes Impulsreferat von Klaus-Hinrich Stahmer zu hören, waren bei schlechtem Wetter nur 25 Menschen in den 250 Zuschauer fassenden Saal getröpfelt – schade vor allem für die gut präparierten Musiker, überwiegend Dozenten der Hochschule.
Über „Das Neue und das Fremde – wenn Tiepolo die Residenz in unserer Zeit ausgemalt hätte“ referierte Stahmer mit fachlicher wie sprachlicher Kompetenz und persönlichem Engagement auf künstlerischer und weltpolitischer Ebene. Neben einer bebilderten Kurzführung durch Tiepolos Deckenfresko und kleinen Exkursen in alle Richtungen, etwa zum Thema „Weltmusik“, bot er prägnante Werkeinführungen.
Mit „The Fifth Season“ für Akkordeon (Olga Morral) und Gitarre (Ana Rocio Lama Benitez) hat die 1968 geborene Japanerin Keiko Harada poetisch auf die Katastrophe in Fukushima reagiert. Hier sei die „fünfte Jahreszeit“ angebrochen, in der Not und Tod von offizieller Seite kleingeredet würden. Feine, lang gezogene Einzeltöne des Akkordeons weckten Assoziationen an filigrane Tuschelinien, zartes Klopfen auf den Gitarrenkorpus und Bartok-Pizzicati malten akustisch Flecken und Punkte. Gitarrenuntypische Glissandi zeigten, so Stahmer, das japanische Tonempfinden, welches die lebendige Entwicklung des Tons liebe.
Onur Türkmens „Prelude und Merhamet“ (Merhamet = „Mitgefühl“, „Barmherzigkeit“) für drei mikrotonale, also nicht in unserem temperierten System gestimmte Gitarren, kam mit Clemer Andreotti, Silas Bischof und Jürgen Ruck zur Uraufführung.
Auf der Lebensgeschichte eines ehemaligen Sklaven basiert Hans Werner Henzes „El Cimmarón – Recital für vier Musiker“, das hier – kondensiert und komprimiert – als „Memorias de El Cimmarón“ für zwei Gitarren (Raphael Ophaus und Stefan Koim) erklang.
Hugues Dufourts „Quatour de Saxophones“, präsentiert vom Saxojonquartett „4 Karat“ (Christina Bernard, Sofia Fuss, Stefan Ippach, Cornelius Wünsch), hielt dem überwältigenden Eindruck des Tags zuvor im Kaisersaal der Residenz gespielten Ensemblewerks „L?Afrique“ zwar nicht ganz stand, ließ die künstlerische Einstellung des Franzosen aber doch deutlich werden.