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WÜRZBURG/VOLKACH
Musik gegen den politischen Frust
Hans-Jürgen Buchner: Er ist fest in Bayern verwurzelt – und verschmilzt trotzdem in seiner Musik verschiedenste Kulturen. Der Musiker über Engagement für die Natur und den speziellen Haindling-Sound.
Offen für die verschiedensten musikalischen Einflüsse: Hans-Jürgen Buchner bei einem Konzert in Bad Mergentheim
Foto: Hans Will | Offen für die verschiedensten musikalischen Einflüsse: Hans-Jürgen Buchner bei einem Konzert in Bad Mergentheim
Ralph Heringlehner
Ralph Heringlehner
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:42 Uhr

Ein Interview mit Hans-Jürgen Buchner ist in schriftlicher Form nur unzulänglich wiederzugeben: Der Kopf der Gruppe Haindling spricht einen melodischen niederbayerischen Dialekt. Und da klingt vieles weniger sperrig als in der Schriftsprache. Den Dialekt nutzt er ganz bewusst auch bei seinen Texten. Am 9. Juli spielt Buchner mit Haindling beim Volkacher Sommer-Open-Air (siehe auch Kasten unten).

frage: In einem Interview haben Sie gesagt, Sie machen „Weltmusik aus Bayern“. Wie definieren Sie Weltmusik?

Hans-Jürgen Buchner: Ich definiere Weltmusik so, dass eigentlich jede Spielart und jedes Instrument in dem Musikprojekt willkommen ist. Ich habe ja von meinen Reisen Instrumente aus aller Welt mitgebracht. Die benütze ich. Und: Ich mache ja nicht nur irgendwas Bayerisches, sondern auch Tango, ich nutze klassische Anklänge – eigentlich jede Stilrichtung. Wenn mir zum Beispiel eine türkische Musik gefällt, dann mache ich die. Und so bezeichne ich das, was ich mache, als Weltmusik.

Die Entwicklung geht ja derzeit eher weg von Offenheit für Fremdes. Es gibt einen Trend zum Nationalistischen. Wie empfinden Sie das – als jemand, der offen ist für fremde Kulturen?

Buchner: Ich finde das angstgebunden und engstirnig. Gut, ich singe bayerisch, das ist mein Konzept seit nunmehr 35 Jahren. Aber ich bin auf alle Fälle offen für sämtliche Klänge. Mir geht's um die Klänge und die dadurch verbundene Sympathie zu allen Musiken. Bei mir ist es so: Wenn ich aus Afrika eine Djembe mitbringe, dann versuch' ich nicht, zu lernen, wie die in Afrika Djembe spielen. Denn das kann ich gar nicht lernen. Das wäre, wie wenn ein Norddeutscher Bayerisch lernen möchte. Er wird nie das Gefühl dafür kriegen. Also nehme ich die Djembe für meine Musik, spiele sie auf meine Weise und wie es meinen Möglichkeiten entspricht.

Das macht den Haindling-Sound aus.

Buchner: Genau. Ich sage immer, da schmilzt die Welt zusammen.

Möchten Sie mit Ihrer Musik ein Plädoyer für Weltoffenheit transportieren?

Buchner: Ich glaube, das kommt zwangsläufig mit.

Ich hab' Sie schon immer auch als politischen Menschen gesehen. Sie haben ja schon vor Jahrzehnten gegen die atomare Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf demonstriert . . .

Buchner: Ich bin schon ein sehr politisch denkender Mensch. Mein politisches Engagement liegt hauptsächlich im Bereich Naturschutz. Ich habe zum Beispiel vor Ministerpräsident Seehofer ein kritisches Lied gesungen, als er die Donau besichtigt hat. Das hat auch was genützt und vielleicht zum sanften Donauausbau beigetragen. Ich werde weiterhin kritische Texte schreiben, habe aber auch große Lust, was Lustiges zu machen, etwas, das nicht nur anklagend ist. Ich möchte den Humor nicht verlieren.

Naturschutz ist derzeit ein schwieriges Thema. Es ist nicht mehr so, dass – wie noch vor ein paar Jahrzehnten – vor allem junge Leute fast prinzipiell „öko“ waren.

Buchner: Das stimmt. Ich selbst bin mit 24 zum Bund Naturschutz gegangen. Aber die Jungen heute interessieren sich im Grunde genommen nicht mehr für die Natur. Das ist traurig und führt dazu, dass Industrie und Politik machen können, was sie wollen, weil der Lobbyismus für die Natur nicht mehr in dem Maße da ist wie früher.

Unter Trump steigen die USA womöglich aus dem Klimaabkommen aus . . .

Buchner: . . . und wollen wieder zurück zur Kohle. So etwas könnte man gar nicht erfinden. Würde man in einem Roman schreiben: „In Amerika ist einer gekommen, der hat sogar den Klimawandel verleugnet“, das wär' ein komischer Roman. Das würde keiner glauben. Manchmal frage ich mich schon, ob das alles nicht irgendwie von der Evolution her so sein muss, damit der Mensch sich schneller von dieser Welt verabschiedet (lacht leise).

Sie sind noch immer viel live unterwegs. Dabei könnten Sie sich in Ihr Studio zurückziehen, komponieren, sich vielleicht der Keramik widmen. Was reizt Sie noch immer an Live-Auftritten?

Buchner: Mit der Tour ist es eigentlich so . . . also (überlegt) . . . da habe ich vorher immer ein bisschen Angst. Eine Tour ist ja schon was Gewaltiges, da darf man auf keinen Fall krank werden. Aber wenn's dann so weit ist, macht's mir doch Spaß – bis auf die Fahrten auf der Autobahn. Ich bereite mich zwar nicht sportlich auf eine Tour vor, aber ich lass' schon ein paar Sachen an mir machen, die ich sonst vielleicht schleifen lassen würde. Ich geh' zum Beispiel zum Zahnarzt.

Ich glaub', mein Körper merkt dann, „aha, jetzt geht's wieder los“ und stabilisiert sich. Mir geht's ja gut. Und wenn ich manchmal so Zeitung lese und mich der politische Frust packt, dann denke ich mir: Ich muss auf die Bühne und muss das runterschreien.

Sie schreien sich auf der Bühne politischen Frust von der Seele?

Buchner: Ja. Wenn ich daheim in der Zeitung lese, was für Ungerechtigkeiten es auf der Welt gibt, denke ich manchmal, dass ich das am liebsten rausschreien möchte. Wenn ich ein Lied sing wie „Der Mensch muss auf den Mars, da muss er hin“ kann ich ziemlich viel Politisches reinstecken. Es tut mir einfach gut, wenn ich das aus mir rauslass'. Und ich merke es an den Augen der Menschen, dass es denen auch guttut.

Das ist das Live-Erlebnis?

Buchner: Es macht schon Spaß, wenn man merkt, dass die Menschen, die zu einem ins Konzert kommen, Gleichgesinnte sind und sich bestätigt fühlen. Ich denke immer, das ist ein großer, gemeinschaftlicher Treff, wo man miteinander ein bisschen feiert, sowohl Zuschauer als auch die Musiker. Also, so lange ich das noch kann, möchte ich live auftreten. Auch das Spielen der verschiedenen Instrumente macht ja Spaß.

Ihr spezieller Sound ist entstanden, weil Sie immer experimentierfreudig waren. Verliert sich mit zunehmendem Alter die Neugier ein wenig?

Buchner: Die Neugier ist selbstverständlich noch da. Allerdings ist es so: Als ich vor 30 Jahren in Ägypten die erste Fischhauttrommel gehört habe oder andere Instrumente, die man noch nicht gekannt hat, dann war das aufregend. Mittlerweile gibt es aber kein Instrument mehr, das ich unbedingt haben müsste. Irgendwie sind die Instrumente ja doch miteinander verwandt. Tempeltrompeten klingen nach Blasinstrumenten, und türkische, chinesische oder ägyptische Geigen klingen eben nach Geige. Aber ich habe ja die Instrumente alle bei mir im Studio, auch jede Menge Gongs. Und wenn ich da so durchgehe, dann hau' ich mal da hin oder ich nehme meinen Jazzbesen und schlag' auf die Riesentrommel – dann kommen mir manchmal Ideen, wie man Instrumentengruppen zusammenführen könnte, wie das vielleicht bisher noch nicht gemacht worden ist.

Buchner, Haindling und die Auftritte in Unterfranken

Hans-Jürgen Buchner wurde am 27. Dezember 1944 in Bernau bei Berlin geboren. Die Jugend verbrachte Buchner in Niederbayern. Er ließ sich zum Keramiker ausbilden, den Meisterbrief erhielt er mit 21 und eröffnete eine Töpferei in Straubing. 1982 hatte er zufällig Kontakt mit der Schallplattenbranche. Er spielte „Haindling I“ ein – und die Musik, bis dahin nur ein Hobby, wurde Lebensinhalt.

Mit Haindling, der von ihm gegründeten Gruppe – benannt nach seinem niederbayerischen Wohnort – landete Buchner in den Folgejahren mehrere Hits, etwa „Lang scho nimma g'sehn“, „Paula“, „Du Depp“.

Musik zu Fernsehserien machte Buchners speziellen Sound über Bayern hinaus bekannt. Er komponiert etwa für „Irgendwie und sowieso“, „Der Kaiser von Schexing“, „Café Meineid“ oder die „Rosenheim-Cops“.

In Unterfranken ist Buchner zweimal zu hören: am 28. Juni in Aschaffenburg (Stadthalle) und am 9. Juli in Volkach. Hier beschließt er das „Volkacher Sommer-Open-Air“ bei dem zuvor die US-Rockgruppe The Hooters (7. Juli) und Entertainer Helge Schneider (8. Juli) auftreten.

 
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