Er kann sich ja kaum dagegen wehren. Denn natürlich ist es eine zwar nette, aber verwegene Marketing-Behauptung der Mozartfest-Macher, wenn sie in den Programmheften extra betonen, wie begeistert Wolfgang Amadeus von Anoushka Shankar wäre: Doch wäre er von der jungen Inderin aus London wirklich so begeistert, wie sie da bescheiden lächelnd im Lotus-Sitz der Yogis ein Zweistunden-Spektrum indischer Klänge auf hochmoderner Rhythmus-Basis entfaltet?
Anoushka Shankar und ihre fünf Mitmusiker wären beim Würzburger Hafensommer ideal und passten auch gut ins Vogel Convention Center. Mit Mozartfest aber hatte der Auftritt so viel zu tun wie Neu-Delhi mit Salzburg – obgleich es eine feine Sache ist, mit Stilen zu spielen. Das hätte Mozart gewiss gefallen.
Es waren also mehr als eine Handvoll Klassikliebhaber im Publikum, die wegen der Sitar-Solistin zuallererst im Rahmen des traditionellen Konzepts gekommen waren – und die spätestens, als die meditativen Klänge mit knalliger Rhythmik aufgemotzt wurden, vorzeitig gingen. Die restlichen 550 aber, teils yogisch gewandet, hatten viel Herz und Leidenschaft für die Akustik des Subkontinents mitgebracht. Sie waren erst angetan, dann mehr und mehr hingerissen, und ganz am Ende klatschten alle stehend Beifall.
Ganz am Ende erlaubte sich die Shankar auch ihr bestes Stück. Fast war man verwundert, wie früh ihr Konzert enden würde, als sie „Chasing shadows“ ankündigte. Der finale Beitrag entwickelte sich zu einer grandiosen 35-Minuten-Nummer mit einem herrlich selbstbewussten Cello-Solo von Danny Keane, einem Percussion-Parforceritt von Manu Delago und dem immer wiederkehrenden, gar nicht mehr so exklusiv-indischen Zusammenspiel. Das hätte Mozart garantiert geliebt.
Mit der meist von d-Moll-Harmonik getragenen Ruhe davor hätte er sich schwerer getan. Songs wie „Unsaid“ oder „Flight“ dienten zum entspannten Augenschließen, bei „Jammal“ bediente sich Tochter Anoushka bei ihrem berühmten Vater Ravi Shankar – die stärkste Komposition des Abends. Schöne Stimmkraft verströmte Pianistin Ayanna Witter-Johnson, wenn sie zum Tastenspiel fast popballadenhaft sang. Manches klang nach Sting aus dessen Weltmusik-Phase, manches angejazzt nach Halbschwester Norah Jones, manches vorlaut nach Techno-Tempel. Seine Exotik bezog das Klangbild aus dem Shehnai-Gebläse von Sanjeev (nicht verwandt) Shankar. Ob Mozart das gleichbleibende Schnarren gefallen hätte . . .