
Jungenträume sind ungezügelt, abgedreht und grenzenlos. Der Autor Wolfgang Herrndorf hat einige dieser skurrilen Wunschbilder eingefangen und 2010, drei Jahre vor seinem frühen Tod, in dem viel beachteten Jugendroman „Tschick“ nachgezeichnet. Robert Koall, Dramaturg am Staatsschauspiel Dresden, hat sich an eine Bühnenfassung gewagt, deren sprühende Vitalität bei der Premiere im voll besetzten Maßbacher „Theater im Pferdestall“ jung und alt mitreißt.
Der schnuckelige Theaterraum wartet mit ungewohnten Sitzgelegenheiten auf: quaderförmige Hocker aus Pappe! Kein Sparmodell der Bühnentechnik (Sean Keller), sondern, wie sich später herausstellt, einer der vielen Gags, mit denen Regisseur Thomas Klischke dieses unbändige Jugendstück gespickt hat. Klischke hält das Tempo sehr hoch, macht Decke, Wände und Boden zum Spielraum und gönnt seinen Darstellern sowie den begeistert mitgehenden Zuschauern nur wenige, aber wichtige Verschnaufpausen.
Maik, „so ungefähr achte, neunte Klasse Gymnasium“, in den Ferien allein zu Hause und gefesselt von der plötzlichen Freiheit, wird von seinem Klassenkameraden Tschick an den Haken genommen. Der Russe mit Mongolenaugen, Wodka- und migrationserfahren, kommt mit einem Uralt-Lada daher; „Nicht geklaut, nur geliehen!“ Mit dieser klapprigen Kommunistenkarre knattern sie Richtung Walachei und steuern mit Vollgas ins Wunderland der Fantasien.
Nilz Bessel nimmt die Herausforderung an, die in der Rolle des Maik zuhauf stecken. Ein vermeintlicher Langweiler, schüchtern und pubertär verklemmt, wird im teilweise irrwitzigen Ablauf der Ereignisse zu einem springlebendigen Akteur und raffinierten Schwindler. Dazwischen bringt er mit ruhiger, packender Erzählstimme die Handlung voran. Ganz groß auch Philipp Pelzer als Tschick. Er mimt den welterfahrenen, coolen Antreiber, der aber schnell auch zum Hasenfuß werden kann. In lautstarken Wortgefechten kommt ihm seine Berliner Schnauze zu Hilfe, und die trifft mit Isa auf ebenbürtige Konkurrenz. Johanna Maria Seitz führt sich als schwarze Müllkrähe mit einer hundsordinären Schimpfkanonade ein und rattert die sexuelle Beleidigungsskala rauf und runter. Sie rangelt sich in die Herzen der Burschen und schmeichelt sich mit einem wunderbar zarten Kuss-Kurs in Maiks Herz.
Die Dreierbande hetzt durch die Reihen, scheucht die verblüfften Kartonhocker auf die Seite – und im Nu ist die Bühne in die Raummitte verlagert. Eine helle Freude, wie sich Spiellust und Spielkunst zu 80 Minuten ausgelassenem Theaterspaß vereinen.
Die nächsten Termine: 20. 4 (10 Uhr), 21. 4 (10 Uhr), 22. 4 (9 und 11.15 Uhr), jeweils in Maßbach, 23. und 24. 4. Theater der Stadt Schweinfurt (jeweils 9 und 11 Uhr). Karten unter Tel. (0 97 35) 235.