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Würzburg
Mit Rockmusik die Welt verändern: Ton, Steine, Scherben in Würzburg
Die legendäre Band gastiert in Mini-Besetzung bei "Kultur ausm Hut". Der Schlagzeuger stammt aus Würzburg und erinnert an den ersten mainfränkischen Underground.
Zwei Generationen, eine politische Haltung: Gymmick, Klaus Götzner und Kai Sichtermann von Ton Steine Scherben.
Foto: Martin Fürbringer | Zwei Generationen, eine politische Haltung: Gymmick, Klaus Götzner und Kai Sichtermann von Ton Steine Scherben.
Joachim Fildhaut
 |  aktualisiert: 27.04.2023 11:34 Uhr

Der Anarchist Ralph Möbius träumte davon, König von Deutschland zu sein. Diese royalistische Anwandlung machte seine Glaubwürdigkeit als Rio Reiser, Sänger der Rockband Ton Steine Scherben, nicht kaputt. 25 Jahre nach seinem Tod (20. August 1996) lebt sein Werk aufrüttelnd und ergreifend weiter.

Zum Beispiel am kommenden Samstag im Würzburger Umweltstations-Park. "Mein Name ist Mensch", heißt der Abend nach einem Song von der ersten Scherben-LP (1971). Den Nürnberger Sänger Gymmick, einen beherzten Rio-Interpreten, begleitet der Mitgründer von Ton Steine Scherben, Kai Sichtermann, an der Gitarre. Es trommelt – so wie ab 1974 bei den Scherben – Klaus "Funky" Götzner, der sich glaubhaft darauf freut, aus Berlin für dieses Konzert in die Stadt seiner Jugend zurückzukehren.

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Vor 70 Jahren in Reichenberg geboren, erlebte und prägte der Dekorateurslehrling die erste kritische Rockszene in Unterfranken, war Teil der Alternative, im Unterschied zu seinem Bruder, der "war bei den örtlichen Coverbands berühmt". Klaus brachte sich das Schlagzeugspielen selbst bei, in einem Proberaum neben der Combo Blues Campaign.

Den Einstieg in die Szene schaffte Klaus Götzner als Urlaubsvertretung

Die Mitglieder schätzten die US-Protestbewegung und Bob Dylan: "Die hatten ein völlig anderes Publikum als die Beatabend-Bands." Aber: Der Blues Campaign fehlte ihr Drummer ausgerechnet, als 1967 ein fränkischer Bandwettbewerb ausgerufen wurde. Die Jungs fragten den 16-jährigen Klaus von nebenan, ob er für sie den Rhythmus halten könnte. Der sprang ein, und: "Bei meinem ersten öffentlichen Auftritt spielte ich als Urlaubsvertretung gleich in der Band, die zur besten der Region gewählt wurde – und ich auch noch zum besten Solo-Drummer."

Übrigens treten noch weitere wichtige Vertreter des Mainfranken Underground – die Szene um das selbstverwaltete Soziokulturzentrum Potlach in der Würzburger Elefantengasse – nach und nach beim Umweltstations-Park-Open-Air "Kultur ausm Hut" auf - Programm siehe www.neunerplatz.de

Das Trio bei einem Auftritt 2019 im 'Dorfsstüble' in Wargolshausen (Lkr. Rhön-Grabfeld)
Foto: Markus Buettner | Das Trio bei einem Auftritt 2019 im "Dorfsstüble" in Wargolshausen (Lkr. Rhön-Grabfeld)

Nach seinen Würzburger Jahren tauchte Klaus Götzner in den Münchner Psychedelic-Underground (Embryo, Amon Düül). Doch die ganze Zeit ging es ihm nicht allein um Musik. Er bekennt heute noch: "Ich wollte schon immer die Welt verändern." Das passte zu Ton Steine Scherben, die damals den Soundtrack zu den Berliner Hausbesetzungen lieferten.

Mitte der Siebziger suchten die Scherben einen Drummer und studierten dazu sogar Kleinanzeigen. Dort stießen sie auf einen Jobsuchenden, der sich "zwischen Zen und Mao" verortete. Den nahmen sie – nach einem mehrstufigen Prozess, bei dem das chinesische Orakel I-Ging das letztes Wort gesprochen haben soll, wie der Kandidat Klaus später erfuhr. Zwischen Zen und Mao eben, er hatte es so gewollt.

Nach Rio Reisers Abgang saß die Band auf einem Schuldenberg

Wobei ihn anfangs vor allem die musikalische Seite seiner neuen Connection interessierte. Für die gut zehn Jahre danach nennt er als größte Konzerterfahrung freilich Szenen, in denen die Scherben auf der Bühne die ernsthaftesten Möglichkeiten hatten, ihr Publikum loszuschicken, um das nächste Kaufhaus in Schutt zu legen. 1985 war es damit vorbei. Rio Reiser startete seine Solokarriere, die Band saß auf Schulden. Was dem Schlagzeuger nie Groll bereitet hat: "Wir sind da so reingerutscht, vom Geschäft hatte ja keiner Ahnung."

Jetzt ist Klaus Götzner glücklich mit der Trio-Besetzung, weil sie die gleichen weltanschaulichen Ideale vertritt wie früher; weil sie "gut klingt"; und "weil wir an Orten spielen können, an denen man eine große Band gar nicht bezahlen könnte". Der unmittelbare Kontakt zum Publikum ist den Musikern wichtiger als große Gagen.

Samstag, 31. Juli, 19 Uhr, Eintritt frei. Freigelände der Würzburger Umweltstation, Niggelweg 5. Reservierung unter www.neuenerplatz.de/ticketbuchung

 
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