Gleich in doppelter Ausführung stellte sich der Pianist Herbert Schuch der Herausforderung von Ludwig van Beethovens "Diabelli-Variationen". Mit zwei Konzerten beschloss der Künstler im Max-Littmann-Saal des Regentenbaus den "Kissinger Spätsommer".
So wie Beethoven mit seinem 1823 beendeten Spätwerk aus dem Vollen seiner kompositorischen Kunst schöpfte, bediente sich Schuch seines in jeder Hinsicht facettenreichen und perfekten Könnens, egal ob unter technischen oder gesamtkünstlerischen Kriterien. 33 Variationen statt der einen vom Verleger Anton Diabelli beauftragten hat Beethoven geschaffen, allesamt kleine Kunstwerke, die sich zu einem etwa einstündigen Ganzen fügen.
Wo Dramaturgie bis zur Atemlosigkeit fesselt
Der Interpret sieht sich einer Komplexität gegenüber, die alles von ihm fordert: Umgang mit Formenvielfalt, Ausdrucksweisen, Charakteren und technischen Schwierigkeiten, welche die Messlatte hoch legen. Doch Herbert Schuch steht über all diesem. Sein differenziertes Herangehen an die musikalische Materie, seine Artikulationskunst, seine ungeheure Virtuosität, seine hohe Sensibilität, nicht zuletzt seine Erhabenheit über jegliche pianistische Anforderung erlauben ihm, die große Architektur des Werkes aufzubauen und eine Dramaturgie zu entwickeln, die bis zur Atemlosigkeit fesselt.
Der Faden der Spannung und des Staunens reißt niemals: Von der graziösen, dennoch kraftvollen Vorstellung des Themas an dürfen unendlich viele Empfindungen entstehen. Kantilenen stehen scharf akzentuierten Einwürfen gegenüber; Klangkaskaden, Akkordketten, Trillerfluten ergießen sich mit orchestraler Wucht in den Saal, werden eingefangen von hauchzart und weich geformten, sphärenhaft wegschwebenden Tönen.
Exzessive Leidenschaft und introvertierte Zurückhaltung
Das Publikum darf mit diesem Weltklassekünstler durchs musikalische Universum reisen, dabei exzessive Leidenschaft und introvertierte Zurückhaltung, Wut und Freude, Sturm und Drang durchleben. Immer wieder schickt Schuch musikalische Gedanken wie Fragen in den Raum, um dann weit gefasste Antworten zu formulieren und auszubauen. Langsamkeit reizt er ins Unendliche aus, ohne dabei den Zusammenhang zu verlieren; intensivste Spannung entsteht dabei, löst sich in exzellent ausgestalteten Schlüssen.
Das perlende Laufwerk der vorletzten Variation federt Schuch geradezu zauberhaft ab, lässt es glöckchengleich auspendeln. Nach einem kurzen Aufbäumen ist Schluss. Leider, möchte man sagen, denn der Genuss war überwältigend. Fürs jubelnde Publikum verlängerte Schuch ihn mit dem Adagio cantabile aus der "Pathétique" als Zugabe.