„Ich bin ein alter Mann“, sagt Blagoy Apostolov und nimmt einen Schluck Cappuccino. „Und wieso sollte ich das hinter einer Maske verbergen?“ Natürlich schmerze ihn das Aus der von ihm vor genau drei Jahrzehnten gegründeten Bayerischen Kammeroper Veitshöchheim und des Mozartsommers, sagt der 72-jährige und schaut durchs Eisdielen-Fenster auf den Verkehr in der Würzburger Hofstraße. Für ihn endet eine Ära.
Nachdem die Gemeinde Veitshöchheim als Rechtsträgerin ihre Zuschüsse für die Kammeroper von jährlich 33 000 Euro seit 1982 nicht erhöht hatte und Apostolov vertragsgemäß für die immer höheren Defizite selbst aufkam, wozu er nicht länger bereit war, hatte der Hauptausschuss des Gemeinderats beschlossen, den Vertrag mit Apostolov zum Ende dieses Jahres aufzulösen. Zuschüsse bekommt die Kammeroper auch vom Freistaat – die dürfen aber aus Rechtsgründen nicht höher sein als die der Gemeinde – sowie von Bezirk Unterfranken und Landkreis.
„Ich bleibe der Gemeinde Veitshöchheim weiterhin gewogen“, sagt Apostolov und führt auf Italienisch ein Pläuschchen mit der Bedienung.
Vor 40 Jahren, 1972, verließ der promovierte Sprachwissenschaftler seine bulgarische Heimat. Er stammt aus einer königstreuen Familie, die nach Kriegsende in einem Bulgarien unter Sowjeteinfluss für sich keine Zukunft sah. Apostolov ging nach Italien, studierte Gesang und kam 1975 nach Würzburg, wo er für fünf Jahre am Stadttheater engagiert war.
„Dann kam die Kammeroper“, sagt Apostolov. Nach Veitshöchheim ging er, weil er dort auf Leute traf, die sich für seine Idee einer Kammeroper ohne festes Ensemble, ohne feste Spielstätte, aber mit der Gemeinde als Trägerin und ihm als Intendanten begeistern konnten. In seinen eigenen Inszenierungen legt er immer Wert darauf, dass die Stücke optisch ihrer Entstehungszeit entsprechen oder aber zeitlos sind. Inszenatorische Modernisierungen historischer Werke lehnt er ab. „Aber ich bin nicht konservativ“, sagt er und nimmt eine andere Position auf seinem Stuhl ein – er hat's mit dem Rücken. „Das kommt vom Aufschlag“, sagt er. „Ich war in meiner Jugend Profi-Tennisspieler in Bulgarien.“ Sogar gegen den ehemaligen Weltranglisten-Ersten Ilie Nastase habe er gespielt. „Nastase hat mich natürlich vom Platz gefegt.“
„Über 800 Gastspiele hat die Kammeroper gegeben“, so Apostolov, von Skandinavien über Frankreich, die Schweiz bis nach Südtirol. Ob bei offiziellen Festakten oder bei ganz normalen Aufführungen: Die Kammeroper habe sich immer als musikalische Botschafterin des Freistaats Bayern verstanden, so der Träger des Bundesverdienstkreuzes. Besonders viel bedeutet es ihm, „Der Handwerker als Edelmann“, eine Barockoper von Johann Adolph Hasse, wieder auf die Bühne gebracht zu haben.
Die erste Inszenierung der Kammeroper war 1982 Telemanns „Pimpinone“. Dieses Opern-Intermezzo soll es heuer, im letzten Jahr des Bestehens der Kammeroper Veitshöchheim, erneut geben – beim Mozartsommer, mit dem Apostolov seit sechs Jahren neues kulturelles Leben in die Orangerie der Residenz gebracht hat (siehe Kasten). Tero Hannula wird wie vor 30 Jahren die Titelrolle geben. „Damals mussten wir ihn auf alt schminken, das brauchen wir heute nicht mehr“, witzelt Apostolov. Wie damals, wird auch heuer Siegfried Köhler die musikalische Leitung haben.
Manchmal frage er sich schon, ob es nicht ein Fehler gewesen sei, mit dem Mozartsommer in die Orangerie zu gehen, meint Apostolov. „Man könnte sich ja schon fragen, was Veitshöchheim denn in Würzburg zu suchen hat.“ Von 1982 bis 1999 war die Kammeroper steter Gast in den Mainfrankensälen. Der Bayerische Rundfunk zeichnete die Inszenierungen auf und wurde laut Apostolov dadurch erst auf die Veitshöchheimer Halle aufmerksam, die deshalb Veranstaltungsort der Kultsendung Fastnacht in Franken wurde, die zuvor in Lichtenfels stattgefunden hatte. Aber zurückzuschauen ist nicht die Sache von Blagoy Apostolov. Er will die Zusammenarbeit mit der Kammeroper Schweiz genauso ausbauen wie den Einsatz für seinen eigenen Sender „Radio Opera“ (sonntags bis donnerstags von 21 bis 22 Uhr auf dem Sendeplatz von Radio Charivari) und den Live-Stream. Vor allem möchte er wissenschaftlich arbeiten, eine umfassende „Geschichte der Opernregie“ verfassen.
Höhepunkte des Mozartsommers 2012
1. Juni, 19.30 Uhr: Eröffnung mit dem Ensemble Klangwelt mit Mozarts „Die kleine Nachtmusik“ in rekonstruierter fünfsätziger Fassung und den „Vier Jahreszeiten“ von Vivaldi.
22. und 23. Juni, je 19.30 Uhr: „Pimpinone“, barockes Opern-Intermezzo von Telemann (am 14. Juni, 20 Uhr, und 17. Juni, 17 Uhr, auch im Theater Wildbad in Rothenburg/Tauber).
27. Juni, 19.30 Uhr: „Barbaroque-Quartett“ spielt in origineller Besetzung (Hackbrett, Bandoneon, Drehorgel, Kontrabass) Vivaldi, Bach und Beethoven.
5., 6. und 7. Juli, jeweils 19.30 Uhr: „Hair“, Musical, aufgeführt von Mitgliedern der Sing- und Musikschule Veitshöchheim.
19., 20., 21. Juli, jeweils 19.30 Uhr: „Der Handwerker als Edelmann“, Oper von Johann Adolph Hasse.
29. Juli, 19.30 Uhr: Feierliches Finale mit Pavlo & Band aus Kanada.
Karten: Rathaus Veitshöchheim, Tel. (09 31) 98 02-727; Falkenhaus Würzburg am Oberen Markt, Tel. (09 31) 37 23 98. Internet: www.bayerische-kammeroper.de