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FRANKFURT
Mit dem kleinen Hobbit in eine andere Welt
Hobbits unterwegs: Szene aus der Zeichentrickverfilmung von „Der Herr der Ringe“ (USA 1978, Regie: Ralph Bakshi).
Foto: cinetext | Hobbits unterwegs: Szene aus der Zeichentrickverfilmung von „Der Herr der Ringe“ (USA 1978, Regie: Ralph Bakshi).
epd
 |  aktualisiert: 11.12.2019 20:07 Uhr

Es muss Anfang der 30er Jahre gewesen sein, da saß der englische Professor John Ronald Reuel Tolkien (1892-1973) an seinem Schreibtisch über einem Stapel von Klausuren. Er hatte schon lange korrigiert und war sehr müde, als sein Blick auf ein Loch im Teppich seines Arbeitszimmers fiel. Er nahm ein leeres Blatt Papier und schrieb: „In einem Loch in der Erde, da lebte ein Hobbit.“

Dieser Satz gilt heute als der Beginn der Fantasy-Literatur. Er wurde der Auftakt zu dem Roman „Der Hobbit“, auf Deutsch auch „Der kleine Hobbit“. Das Buch erschien am 21. September 1937, vor 75 Jahren, und wurde sofort ein Erfolg. Es erzählt davon, wie der Hobbit Bilbo Beutlin mit dem Zauberer Gandalf und einer Schar von Zwergen in den Osten aufbricht, um dem Drachen Smaug einen gestohlenen Schatz zu entreißen. Ein Hobbit war ein „Halbling“, ein ungefähr kindsgroßer, untersetzter Kerl mit überdimensionalen haarigen Füßen.

In eine andere Welt

„Ich bin selber ein Hobbit“, sagte Tolkien. „Ich liebe Gärten, Bäume und Ackerland ohne Maschinen. Ich rauche Pfeife, esse gern gutbürgerlich und verabscheue die französische Küche.“ „Der kleine Hobbit“ wurde 1937 als Kinderbuch vermarktet, doch er fand von Anfang an auch erwachsene Leser. Mit diesem Buch konnte man in eine andere Welt abtauchen, wenn über das Radio wieder einmal bedrohliche Nachrichten aus Hitler-Deutschland kamen. Die Engländer wollten damals unbedingt einen neuen Krieg vermeiden.

Auch Bilbo Beutlin ist kein Held, er fürchtet den Krieg. Aber als ihm der Kampf aufgezwungen wird, bewährt er sich darin, weil er einsieht, dass es keinen Ausweg mehr gibt. Die Engländer konnten sich darin sofort wiedererkennen. Noch vieles mehr von Tolkien steckt im „Hobbit“. Die Sagenwelt Mittelerde voller Zauberer, Trolle und Drachen ist sein Gegenentwurf zum 20. Jahrhundert, das Tolkien verabscheute. Nie besaß Tolkien einen Kühlschrank oder später ein Fernsehgerät, und auf den Umschlag seiner Steuererklärung schrieb er als alter Mann: „Keinen Penny für die Concorde!“

Sein größtes Trauma jedoch war der moderne Krieg. Er hatte selbst in den Schützengräben in Nordfrankreich gelegen, die Schlacht an der Somme miterlebt. Diese Kriegserfahrung verarbeitete er in seinen Schlachtszenen, die besonders unter die Haut gehen. Weil der „Hobbit“ ein solcher Erfolg war, drängte der Verlag auf eine Fortsetzung. An ihr schrieb Tolkien viele Jahre, und das Ergebnis war endgültig kein Kinderbuch mehr: Heute wird die Gesamtauflage der „Hobbit“-Fortsetzung „Der Herr der Ringe“ auf 150 Millionen geschätzt.

Das Gute in der Welt

Im Kino ist die Reihenfolge umgekehrt: Von 2001 bis 2003 waren dort zunächst die drei Teile von „Der Herr der Ringe“ zu sehen, im Dezember dieses Jahres folgt nun der erste Teil des „Hobbit“, abermals unter der Regie des Neuseeländers Peter Jackson. Den Hobbit Bilbo Beutlin spielt Martin Freeman, bekannt als Dr. Watson aus der BBC-Produktion „Sherlock“, die auch in der ARD zu sehen war. Seit vielen Jahren spekuliert die Internetgemeinde über angebliche geheime Botschaften, die sich in Tolkiens Büchern verbergen sollen. Für die einen ist es eine Parabel auf Hitler-Deutschland, für die anderen eine Prophezeiung der Terroranschläge vom 11. September, heißt der zweite Teil der „Herr der Ringe“-Trilogie doch „Die zwei Türme“.

Solche Theorien wären dem Professor aus Oxford ein Gräuel gewesen. Immer wieder stellte er klar, dass seine Bücher nur eines seien: katholisch. Dabei gibt es in Mittelerde weder Kirchen noch Kreuze. Doch ein „christlicher Geist“ ist durchaus spürbar: Es geht um Versuchung, Schuld und Sühne, Opfer, Leid und die Wahl zwischen Gut und Böse.

Als katholisch betrachtete er seine Bücher, weil die Hobbits aufgrund ihres Glaubens an das Gute die Welt verändern und das Böse überwinden. Noch in seinem letzten Interview, kurz vor seinem Tod mit 81 Jahren am 2. September 1973, hob er hervor: „Ich bin ein überzeugter römisch-katholischer Christ.“ Mit Esoterik wollte der Begründer der Fantasy-Literatur nichts zu tun haben.

 
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