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BERLIN
Millionengeschäfte: Kunstmarkt 2015 auf Rekordjagd
Millionengeschäfte: Die Preise auf dem Kunstmarkt erreichten auch 2015 neue Höhen. Experten sehen darin aber eher Trophäenkämpfe. Über 50 Prozent der Umsätze werden im privaten Kunsthandel gemacht.
Jahresrückblick 2015 - Höchstpreise auf dem Kunstmarkt       -  Die Rekordauktion:  179 Millionen Dollar brachte Picassos Bild „Les femmes d'Alger“ im Mai 2015 bei Christie's New York.
Foto: Jason Szenes, dpa | Die Rekordauktion: 179 Millionen Dollar brachte Picassos Bild „Les femmes d'Alger“ im Mai 2015 bei Christie's New York.
dpa
 |  aktualisiert: 03.12.2019 08:49 Uhr

Die Rekordjagd auf dem Kunstmarkt geht weiter: 179 Millionen Dollar brachte Picassos Bild „Les femmes d'Alger“ im Mai 2015 bei Christie's New York – es ist das teuerste je versteigerte Kunstwerk. Modiglianis Aktgemälde „Nu couché“ wurde für 170 Millionen Dollar versteigert. An nur wenigen Abenden setzen die großen Konkurrenten Christie's und Sotheby's bei ihren Herbstauktionen jeweils Kunst für mehr als eine Milliarde Dollar um.

Auktionserlöse jenseits der 100 Millionen-Dollar-Marke für ein Kunstwerk galten vor einigen Jahren noch als Wunschtraum, inzwischen haben schon zehn Werke diese magische Hürde genommen. Und die Branche wartet gespannt darauf: Wann werden die 200 Millionen geknackt?

Die Temperaturmessung

Doch das Geschehen im Top-Auktionssegment ist für Kunstexperten letztlich nicht maßgeblich für den Markt. „Das hat mit dem Kunstmarkt nur noch wenig zu tun“, sagt Hans Neuendorf, Gründer des Online-Kunstdienstleisters Artnet. „Das sind Trophäenkämpfe.“

Neuendorf verlässt sich bei der Temperaturmessung des Markts lieber auf das mittlere Segment. Der Kunstmarkt sei „nach wie vor extrem robust“, lautet seine Diagnose. „Es ist wahnsinnig viel flüssiges Geld auf der Welt vorhanden, in den Händen von sehr vielen Menschen in ganz vielen Erdteilen und Nationen“, sagt Neuendorf.

Die Auktionsumsätze sind die einzigen veröffentlichten Zahlen im verschwiegenen Kunstmarkt. Über 50 Prozent der Umsätze werden laut Neuendorf aber im privaten Kunsthandel gemacht. „Was dort passiert, wissen wir nicht.“ So ist es auch nur ein unbestätigtes Gerücht, dass Paul Gauguins Gemälde „Nafea faa ipoipo“ (Wann heiratest du?) für 300 Millionen Euro an einen neuen Besitzer in Katar gegangen sein soll. Damit wäre es das teuerste Bild der Welt.

Philipp von Württemberg, Chef von Sotheby's Europa und Geschäftsführer Sotheby's Deutschland, sagt: „Der Markt ist deutlich globaler geworden, überall werden gute Geschäfte gemacht, vor allem auch, weil die Banken eine hohe Liquidität zur Verfügung stellen.“ Die andauernde Niedrigzinsphase begünstigt den Run auf Kunst, aber auch auf Oldtimer oder Juwelen.

Sotheby's versteigerte in Genf einen 12,03 Karat schweren blauen Diamanten für umgerechnet 45 Millionen Euro – natürlich wieder ein Rekord. Der deutsche Kunstauktionsmarkt ist zwar um ein Vielfaches kleiner als der nordamerikanische oder der britische, aber auch hierzulande werden Rekorde aufgestellt. Günther Ueckers Nagelkunstwerk „Hommage a Paul Scheerbart“ wurde bei Ketterer für 300 000 Euro aufgerufen und für fast 1,9 Millionen Euro mit Aufgeld versteigert – ein neuer Auktionsrekord für den Zero-Künstler. „Jede Auktion läuft besser als die vorhergehende“, sagt Inhaber Robert Ketterer. „Wir profitieren auch von der Kaufkraft der globalen Käuferschichten.“ Allein 2014 habe Ketterer in über 50 Länder verkauft.

Von zehn bis 316 000 Euro

Im Vergleich zu den Milliardenumsätzen der großen Firmen nimmt sich der Jahreserlös beim derzeit umsatzstärksten deutschen Auktionshaus dabei eher bescheiden aus. 2014 erzielte Ketterer ein Auktionsergebnis von 47 Millionen Euro, ungefähr so viel, wie der blaue Rekord-Diamant „Blue Moon“ gebracht hatte. Für 2015 erwartet Ketterer eine Steigerung um 20 bis 25 Prozent.

Der Markt saugt angesichts riesiger Nachfrage und kleinem Angebot Kunst auf wie ein Schwamm – in allen Preisklassen. Van Ham in Köln brachte im Sommer in einer mehrtägigen Marathonauktion rund 2300 Kunstwerke aus der Insolvenzmasse des verurteilten Kunstberaters Helge Achenbach unter den Hammer – und erzielte damit rund neun Millionen Euro inklusive Aufgeld. Kunst von zehn Euro bis 316 000 Euro – nichts blieb liegen.

Sorgen bereitet den Auktionshäusern in Deutschland allerdings das Kulturgutschutzgesetz, das national wertvolle Güter vor einer Abwanderung ins Ausland schützen soll. Zwar sei es „grundsätzlich richtig, das Gesetz im Zeitalter der offenen Grenzen zu verbessern“, sagt Ketterer. „Aber es werden weniger Kulturgüter nach Deutschland kommen und deshalb auch weniger Kulturgüter verbleiben.“ Bei Ketterer werden 35 Prozent der Ware aus dem Ausland eingeliefert. Auch Württemberg sagt: „Wenn das Gesetz kommt, könnten sich einige deutsche Sammler überlegen, ob sie ein Spitzenwerk, das sie im Ausland kaufen, überhaupt noch nach Deutschland bringen. Eine Verunsicherung ist da.“

Die Top Ten des Auktionsjahres 2015

Die zehn höchsten Erlöse bei Christie's und Sotheby's laut dem Kunstdienstleister Artnet: 1. Pablo Picasso: „Les femmes d'Alger“, 1955, Christie's New York, 11. Mai, 179 Millionen US-Dollar (160 Millionen Euro). 2. Amedeo Modigliani: „Nu couché“, 1917/18, Christie's New York, 9. November, 170 Millionen Dollar (158 Millionen Euro). 3. Alberto Giacometti: „L'homme au doigt“, Bronzeskulptur, 1947, Christie's New York, 11. Mai, 141 Millionen Dollar. 4. Roy Lichtenstein: „Nurse“, Christie's New York, 1964, 9. November, 95 Millionen Dollar. 5. Mark Rothko: „No. 10“, 1958, Christie's New York, 13. Mai, 82 Millionen Dollar. 6. Cy Twombly: „Untitled (New York City)“, 1968, Sotheby's New York, 11. November, 70,5 Millionen Dollar. 7. Pablo Picasso: „La Gommeuse“, 1901, Sotheby's New York, 5. November, 67,45 Millionen Dollar. 8. Pablo Picasso: „Buste de femme (Femme a la résille)“, 1938, Christie's New York, 11. Mai, 67,37 Millionen Dollar. 9. Vincent van Gogh: „L'Allée des Alyscamps“, 1888, Sotheby's New York, 5. Mai, 66,3 Millionen Dollar. 10. Lucian Freud: „Benefits Supervisor Resting“, 1994, Christie's New York, 13. Mai, 56 Millionen Dollar. Stand vom 24. November, dpa

 
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