Michael Patrick Kelly, geboren am 5. Dezember 1977 in Dublin, wurde Mitte der 1990er bekannt. Zusammen mit der Kelly Family verkaufte er – damals noch Paddy genannt – mehr als 20 Millionen Tonträger. Jetzt hat er auch solo Erfolg.
Michael Patrick Kelly: Nein, das ist nicht die Botschaft. Das Bild ist mit dem Song „iD“ verbunden. Ich will damit sagen: Lass uns Menschen nicht auf irgendetwas reduzieren, was auf dem Papier steht. Der Mensch ist mehr als sein Pass, mehr als eine Nummer.
Kelly: Ich bin dankbar für meine Vergangenheit. Aber seit 13 Jahren – seit ich ins Kloster eingetreten bin – habe ich mich von der kollektiven Identität meiner Familie gelöst und bin nach sechs Jahren als Mönch als Solokünstler unterwegs. Aber ich verstehe, dass viele Menschen mich noch mit der Kelly Family assoziieren. Doch es fühlt sich gut und richtig an, meinen Solo-Weg weiterzugehen.
Kelly: Es gibt für mich drei Dinge, die eine Identität prägen. Das eine ist die Veranlagung. Manche Menschen haben von Geburt an eine gute Stimme zum Singen, andere haben einen Körper, der perfekt ist zum Marathonlaufen. Man bekommt sehr viel in die Wiege gelegt, Positives und Negatives. Das Zweite, was eine Identität ausmacht, sind die Lebensumstände, in denen man groß wird, wie zum Beispiel die Schule, die man besucht. Das Dritte – und vielleicht Wichtigste – sind die Entscheidungen, die jeder von uns trifft, beruflich, privat, in seinen Beziehungen, aber auch politisch oder religiös. Ich habe amerikanisch-irische Wurzeln mitbekommen, gewisse Charakterzüge und Talente – einige von der Mutter, andere vom Vater. Und was mich im Sinne von Lebensumständen geprägt hat, war ein Vagabundenleben. Im Campingwagen geboren, in Doppeldeckerbussen gereist, auf einem Hausboot gelebt . . .
Kelly: Total! Ich bin nicht zur Schule gegangen. Mein Vater hat die Homeschooling-Methode aus den USA nach Europa herübergebracht zu einer Zeit, als das hier noch nicht legal war. Das war auch ein Grund, warum wir immer wieder weggefahren und rumgereist sind. Denn manchmal haben die Behörden gefragt, was denn mit Schule sei. Und sobald uns jemand zu etwas zwingen wollte – husch! – waren wir weg (lacht). Die Erfolgsgeschichte mit der Family hat mich natürlich auch geprägt. Ich gebe zum Beispiel heute keine Autogramme mehr. Ich mag Personenkult und Starrummel nicht. Ärzte oder Rettungsdienste retten jeden Tag Menschenleben, aber die bittet auch keiner um ein Autogramm. Und ich bin nur Musiker. Wahrscheinlich bin ich auch ein bisschen traumatisiert von zu vielen Autogrammen in der Zeit der Kelly Family. Selfies kann man mit mir aber schon machen.
Kelly: Ich habe immer wieder mit meinen Geschwistern gesprochen und gesagt: Das Timing muss passen. Bei mir ist vieles parallel gelaufen: Die Aufnahmen zum aktuellen Album zogen sich über ein halbes Jahr in London, die Promotion im Fernsehen, der Tourstart. Und dann hatte ich auch noch die Baustelle „Sing meinen Song“.
Kelly: Diese Frage „Who am I“ – wer bin ich? – ist wie ein roter Faden in meinem Leben gewesen, wahrscheinlich, weil ich keine Wurzeln habe. Aber jetzt, mit 39, habe ich das Gefühl, dass ich weiß, wer ich bin, wo ich herkomme, wo ich hinwill. Das ist jetzt ein bisschen Klischee, aber ich bin bei mir angekommen. Die sechs Jahre im Kloster haben viele meiner Fragen beantwortet und mir eine Heimat im Glauben geschenkt. Man ist da nicht an Zeit, Ort oder Kultur gebunden – an etwas, was man verlieren kann.
Kelly: In den ersten Jahren war ich überzeugt, dass das mein Lebensweg sei. Doch dann hat irgendwann der Körper zu mir gesprochen und ich konnte wegen gesundheitlicher Schwierigkeiten den Rhythmus im Kloster nicht mehr halten, musste Studien abbrechen. Dann haben meine älteren Mitbrüder gesagt: „Wir glauben nicht, dass das deine Berufung ist. Mach wieder Musik, such dir eine schöne Frau – und geh mit Gott!“ (lacht). Das musste ich dann so akzeptieren. Im Nachhinein bin ich dankbar.
Kelly: Christentum nicht im Sinne von Institution Kirche, sondern in der Mystik. Die Schriften von Johannes vom Kreuz, Theresa von Avila und Meister Eckhart haben mich fasziniert. Sie sprechen davon, dass man Gott erleben, mit ihm in Dialog treten kann, dass Gott unser Glück will und wir für Glück geschaffen sind.
Dieser ganze – verzeihen Sie das Wort – Scheiß, der auf der Welt veranstaltet wird: Das sind wir! Stellen Sie sich vor: Laut Oxfam, einem Verbund von Hilfs- und Entwicklungsorganisationen, haben 62 Menschen die Hälfte des Vermögens der Welt! Wenn man will, könnte man die Probleme lösen. Es könnte eine Welt ohne Hunger geben, eine Welt, auf der alle Wasser haben. Dass das nicht funktioniert, liegt an unserer Gier. Stellen Sie sich vor, wir würden alle nicht lügen, nicht stehlen und so weiter. Das wäre eine völlig andere Welt.
Kelly: Aber die Grundsätze sind richtig. Im Kloster haben 70, 80 Mönche aus 25 Nationen zusammen in Frieden und Freude gelebt. Es geht also. Es ist nur die Frage, ob man's will. Da hat jeder von uns erst mal mit sich selbst zu kämpfen.
Kelly: Große Vorbilder für mich sind Bob Dylan, Bruce Springsteen oder U2. Natürlich haben die auch Beziehungs- und Liebessongs, die hab' ich auch. Aber ich finde, das Leben ist so viel reicher als nur „Boy meets Girl“. Es gibt so viele spannende Themen und Fragen. Das Album „iD“ ist eine Auseinandersetzung mit diesen Themen. Zum Beispiel „How do you love“: Wie jemand liebt, sagt sehr viel darüber, wer er ist. Oder „Friends and Family“: das ist „zeig mir deine Freunde und ich sag dir, wer du bist“. In „Last Words“ geht es um die Frage: Wie ist jemand kurz vorm Tod? Was sagt er, was denkt er, was fühlt er?
Kelly: Nein. Den Song habe ich geschrieben, bevor Trump gewählt wurde. Aber weil wir von Trump reden: Mein Motto ist: „Make Rock 'n' Roll great again!“ (lacht)
Michael Patrick Kelly live
In der Region ist Michael Patrick Kelly zweimal bei Open Airs zu hören: auf Burg Wertheim am 7. Juli und am 29. Juli am Schloss Tambach. Er wird Songs vom neuen Album „iD“ spielen, aber auch alte Lieder sowie Klassiker aus seiner Zeit mit der Kelly Family.
„An Angel“, das Lied, das die Kelly Family, die lange als Straßenmusiker durch die Lande zog, erfolgreich machte, komponierte Michael Patrick als 15-Jähriger. Er hat es noch im Programm. Die hohen Töne „krieg ich noch hin“, sagt er.