Trotz ihrer holzgetäfelt veredelten Optik ist die Bühne im Großen Saal der Musikhochschule für sich allein ein eher schmuckloses, um nicht zu sagen karges Podium – wenn kein Ensemble die Leere füllt. Beim fünften Würzburger Meisterkonzert der laufenden Saison stand kein Ensemble dort, wie immer (warum eigentlich nicht?) auch kein Blümchen oder anderweitiger Zierrat. Nur ein Steinway und ein Pianistenhocker, sonst nichts: Das nennt man wohl Beschränkung aufs Wesentliche, Konzentration auf Musik pur, Johann Sebastian Bach in Reinkultur. Und das passte wiederum wunderbar zum Solisten des Abends.
Das Feuilleton sagt ja dem 31-jährigen Franzosen David Fray ohnehin nach, ein neuer, verinnerlichter Glenn Gould zu sein, geistiger Ziehsohn des Urvaters aller Bach-Interpreten an den Tasten. Durchaus, das belegte Fray im gut besetzten, aber nicht ausverkauften Musikhochschulsaal in puncto Mimik und Gestik: Wie das gerne kopierte Vorbild saß er tief auf seinem Stuhl, kroch er bisweilen fast in die Tasten hinein, verzog und verzerrte er das innig mitfühlende Antlitz, diente er dem Klang in Demut. Manchmal vermeinte man gar, Tränen rinnen zu sehen.
Alles ohne Notenblatt
Rein musikalisch freilich sieht sich der Senkrechtstarter seiner Branche eher in einer Reihe mit Größen wie Wilhelm Kempff, was Fray ebenfalls nachwies: Dieser Pianist, der alles auswendig, ohne Notenblatt spielte und am 9. Juni mit Mozarts „Jeunehomme“-Konzert den 28. Kissinger Sommer eröffnen wird, ertönte strukturiert, klar perlend. Die Fugen- und Themenfolgen ließ er logisch hell ineinanderfließen.
Dass er ab und an mit dem rechten Fuß relativ unsensibel die Takte mithämmerte, in den schwächeren Augenblicken mit zu viel verwischendem Pedaleinsatz eine Art von emotional weicher Sanftheit vortäuschte – Geschmackssache. Je zwei von Bachs sechs Partiten und sieben Toccaten hatte sich Fray für das zu reichlich Bravorufen animierte Würzburger Publikum ausgesucht, vor der Pause beide in e-, nach der Pause in c-Moll. Als nicht angesagte Zugaben steuerte der stille, schüchtern, beinahe einsam wirkende Klavierklang-Asket „Nun komm der Heiden Heiland“ bei – sowie überraschend Schumanns kleine, träumerische „Kinderseelen“. Dabei schien der scheue Mann am Flügel dann tatsächlich versonnen in sich hinein zu lächeln. Ach, man hätte ihm noch länger zuhören können.