Das Institut für Zeitgeschichte (IfZ) will seine kommentierte Ausgabe von Adolf Hitlers „Mein Kampf“ voraussichtlich Anfang Januar 2016 veröffentlichen. Ende 2015, gut 70 Jahre nach Hitlers Tod, laufen die Urheberrechte aus, die der Freistaat Bayern als Rechtsnachfolger des nationalsozialistischen Franz-Eher-Verlages innehat. Bis zu 2000 Seiten lang soll die zweibändige Ausgabe sein, wie der stellvertretende Institutsdirektor Magnus Brechtken sagte. 780 Seiten stammen aus dem Original der Hetzschrift, den Rest machen bis zu 5000 wissenschaftliche Kommentare sowie Einleitung und Register aus.
Im Jahr 2012 hatte der Freistaat Bayern angekündigt, die kommentierte Ausgabe mit 500 000 Euro zu fördern – bis Ministerpräsident Horst Seehofer es sich nach einem Besuch in Israel anders überlegte und völlig überraschend erklärte, das Projekt nicht mehr finanziell zu unterstützen. Begründung: „Ich kann nicht einen NPD-Verbotsantrag stellen in Karlsruhe und anschließend geben wir sogar noch unser Staatswappen her für die Verbreitung von ,Mein Kampf‘ – das geht schlecht.“ Brechtken betont: „Unsere Arbeit ist davon unabhängig, wir sind ein wissenschaftliches Forschungsinstitut.“
Im Sommer vorigen Jahres hatten die Justizminister der Bundesländer entschieden, die unkommentierte Verbreitung von „Mein Kampf“ solle auch nach dem Auslaufen der Urheberschutzfrist in Deutschland verboten bleiben. Die geltende Rechtslage, etwa der Straftatbestand der Volksverhetzung, reiche aus, um den Nachdruck zu verhindern.
Wie es sich mit kommentierten Ausgaben verhält, sagten die Justizminister nicht ausdrücklich. Wenn eine wissenschaftlich kommentierte Ausgabe sich klar von dem Inhalt abgrenze, sei eine nicht-strafbare Veröffentlichung unter Umständen möglich, beurteilte eine Sprecherin des bayerischen Justizministeriums die rechtliche Situation. Das müsse im Einzelfall und anhand des Textes von Gerichten beurteilt werden.
„Wir wollen Hitler umzingeln“, hatte IfZ-Chef Andreas Wirsching im vorigen Jahr gesagt. „Was wir herausbringen, ist eine Anti-Hitler-Schrift.“ Tatsächlich lasse es sich einem Holocaust-Überlebenden nur schwer erklären, warum in Deutschland „Mein Kampf“ wieder gedruckt werden soll, räumte er ein. Aber: „Ein Verbot ist nicht mehr als Symbolpolitik“, sagte er. „Und Symbolpolitik am falschen Ort, weil sie nur der Mystifizierung dieses Buches dient.“