Ein feiner, silbriger, fast unwirklicher Ton erobert behutsam den Großen Saal der Würzburger Musikhochschule, weitet sich aus, Akkorde und melodische Linien entwickeln sich: Balázs Szabó, Organist und Musikwissenschaftler aus Budapest, interpretiert an einem Druckwindharmonium von 1930 mit großer Innigkeit und Hingabe Werke von Max Reger und Siegfried Karg-Elert. Und obwohl das Instrument nicht die Wucht und Durchschlagskraft einer großen Kirchenorgel erreicht, gelingen Szabó ungeheure Fülle, Expressivität, Innigkeit und Wärme – ein Hochgenuss.
Diese wunderbare Nachtmusik war auch ein bezaubernder Vorgeschmack auf das emotionale Klangbad von Regers „Romantischer Suite op. 125“ in der Fassung für gemischtes Ensemble (Schönberg/Kolisch), mit der die „Lange Nacht der Tasten“ den Veranstaltungszyklus zum Reger-Jahr 2016 beschloss. Musikalisch eröffnet hatte Bernd Glemser: Mit Regers „Variationen & Fuge über ein Thema von J. S. Bach op. 81“ weihte er den neuen Konzertflügel der Hochschule nicht nur ein, sondern forderte ihm auch alle Facetten und Möglichkeiten ab. Glemser gelang eine Interpretation von ungeheurer Inbrunst, schlichter Schönheit, voll beseelter Momente, aber auch überbordender Virtuosität und donnernder Emphase.
Glemser scheint über unbegrenzte Möglichkeiten an differenzierter und wohldosierter Anschlagskultur zu verfügen.
Eine gewisse Großzügigkeit
„Max Reger bringt sich selbst ein Ständchen.“ Mit diesen Worten hatte Professorin Susanne Popp vom Max-Reger-Institut Karlsruhe den Teil des Abends eröffnet, auf den die Besucher wohl am neugierigsten waren. Reger hatte 1905 in Leipzig zehn seiner Werke auf die Papierrollen eines Welte-Mignon-Vorsetzers eingespielt. Der Musikautomatensammler Jost W. Mucheyer hatte solch ein Gerät zur Verfügung gestellt, so konnte man den Komponisten quasi selbst beim Spielen seiner Werke erleben.
Das Einsetzen der Rollen wirkt ein wenig wie der Austausch einer Küchentücher-Rolle, dann setzt sich ein Mechanismus in Bewegung, der letztlich zum Anschlag der Tasten führt, was in der Hochschule mittels Kamera und Beamer auf einer Leinwand gut verfolgt werden konnte.
Und wie klingt es, wenn Reger Reger spielt? Den Perfektionismus heutiger Zeit, akademische Akribie, eine Ausarbeitung bis in letzte Feinheiten darf man nicht erwarten. Reger zeigt eine gewisse Großzügigkeit im Umgang mit Notentext und Metrum, vieles wirkt flüchtig. Dennoch bleibt der Eindruck von luftiger Verspieltheit und sympathischer Verträumtheit: Für Reger scheint mehr ein freud- und liebevoller Umgang mit seiner Musik denn eine analytisch arbeitende Auseinandersetzung im Vordergrund gestanden zu haben. Ein beglückender Ansatz!