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Mario Adorfs Bad Kissinger Freunde
Auf Lesereise: Mario Adorf ist zurück auf der Bühne. Im Bad Kissinger Regentenbau liest und erzählt er am 12. Februar unter dem Titel „Schauen Sie mal böse!“ aus seinem Leben. Das ist von sehr viel mehr geprägt als nur der Rolle des Bösewichts.
reda
 |  aktualisiert: 05.02.2015 21:18 Uhr

Nur zwölf Stationen hat Mario Adorfs aktuelle Lesereise. Eine davon ist Bad Kissingen. Im Interview spricht der 84-Jährige über die Freunde, die er dort hatte, junge und alte Schauspielkollegen und das Ende des Kapitalismus.

Frage: „Der Große Bellheim“, „Der Schattenmann“, „Die Affäre Semmeling“: Erfolgreiche Fernsehspiele mit Ihnen in der Hauptrolle und großer Besetzung, bei denen es auch immer um Gut und Böse ging, gab es früher regelmäßig. Heute sind solche Reihen die Ausnahme. Was ist los mit dem deutschen Fernsehfilm?

Mario Adorf: Ja, so etwas wird heute leider nicht mehr gemacht. Aber es war oft auch zu lang. „Die Affäre Semmeling“ hatte sechs Teile! Heute gibt es wohl auch kein Geld mehr, um so etwas Aufwendiges zu produzieren.

Fehlen Ihnen solche Produktionen, mit denen auch Sie ein Millionenpublikum erreicht haben?

Adorf: Mir genügen 90 Minuten, um eine Geschichte zu erzählen.

Finden Sie es nicht schade, dass solche Sendungen, die fast jeder anschaut und über die jeder mitreden kann, fehlen? Geht der Gesellschaft da nicht etwas Gemeinschaftliches verloren?

Adorf: Es ist schon schade. Es wird alles noch schneller. Ich bin früher natürlich verwöhnt gewesen. Ich habe noch Fernsehen zu Zeiten gemacht, als es noch gar nicht gesendet wurde, es waren Testsendungen. Aber ich war auch bei Live-Fernsehspielen dabei, was für einen Schauspieler großartig ist. Doch diese Zeiten sind vorbei. Es ist alles sehr viel kommerzieller geworden, und es darf doch nichts mehr kosten. Es war schön, in gehaltvollen Sendungen dabei zu sein, aber die gibt es kaum noch.

Wie oft bekommen Sie denn noch Angebote für Filme, deren Qualität Sie überzeugt?

Adorf: Das ist kein neues Problem. Das gab es schon immer. Meine Faustregel war: Von zehn Angeboten nehme ich nur eines an. Aber eines muss man annehmen, um im Geschäft zu bleiben. Sonst ist man ja auch kein Schauspieler mehr, sondern nichts.

Hat die Qualität trotzdem in den vergangenen Jahren weiter abgenommen?

Adorf: Nach dem Krieg gab es die Heimatfilme und Schnulzen. Danach wurde es eigentlich wieder besser. Dass die Qualität grundsätzlich abnimmt, würde ich nicht verallgemeinern. Es gibt gerade in den letzten Jahren wieder interessante deutsche Kinoproduktionen.

Schauspieler und Regisseure, die für Qualität stehen, hatten Sie viele an Ihrer Seite. Mit welchem Kollegen haben Sie am liebsten gespielt?

Adorf: Ich habe mit wunderbaren Menschen zusammengearbeitet. Aber es ist schwierig, jemanden herauszugreifen. Die Filme mit Volker Schlöndorff waren großartig, aber auch die Arbeit mit Senta Berger oder Angela Winkler, mit der ich schon die „Blechtrommel“ gedreht habe und jetzt auch wieder bei „Altersglühen“ zusammengearbeitet habe. Es gab immer welche, mit denen man gerne oft zusammen gedreht hat, aber auch welche, mit denen es selten vorkam, obwohl man sie sehr mochte. Zum Beispiel Max von Sydow oder mit dem leider verstorbenen Otto Sander. Ich freue mich immer, wenn ich Kollegen treffe, die etwas darstellen. Aber das wird auch seltener.

Wobei es doch durchaus gute junge Schauspieler gibt.

Adorf: Ja, da freue ich mich drüber. Auch wenn ich die ganz Jungen nicht kenne. Ich schätze Jürgen Vogel zum Beispiel, mit dem ich am Anfang seiner Karriere zweimal gearbeitet habe, oder Moritz Bleibtreu, mit dem ich zwar nie gedreht habe, den ich aber gut finde. Oder natürlich Christoph Waltz. Es gibt auch gute junge Regisseure.

Dann lassen Sie uns doch noch ein wenig ins Detail gehen. Bei Ihrer Tournee erzählen Sie ja von besonderen Begegnungen. Was fällt Ihnen denn zu diesen Bildern ein? (Erstes Bild: eine ernst schauende Romy Schneider)

Adorf: Meine Romy. Ich habe sie kennengelernt, da war sie 17 Jahre alt und schwebte auf ihrem Sissi-Ruhm. Da hat man sie als Schauspielerin noch gar nicht ernst genommen. Sie kam zu mir, weil sie gehört hatte, dass ich auf der Falckenberg-Schauspielschule gewesen war und sie die Schauspielerei von der Pike auf lernen wollte. Ich habe aber zu ihr gesagt, sie sollte nicht auf die Schauspielschule gehen, denn dort könne sie nichts mehr lernen. Sie war so begabt. Wir haben uns noch öfter gesehen und uns später, in den 60er, 70er Jahren, in Rom oft getroffen. Aber leider hatten wir da nicht mehr viel miteinander zu tun. Sie war eine wunderbare Frau, eine wunderbare Schauspielerin.

Nächstes Bild: Ex-James-Bond Roger Moore, dessen Gesicht von seiner Hand verdeckt ist, in der er eine Zigarette und ein Glas hält.

Adorf: Da müssen Sie mir verraten, wer das ist. Der ist ja gar nicht zu erkennen.

Roger Moore.

Adorf: Ich habe ihn ein paar Mal getroffen, aber nie mit ihm gearbeitet. Er war immer sehr angenehm. Ich habe mal eine angeblich wahre Geschichte über ihn geschrieben, aber an die konnte er sich nicht erinnern. Es ging um ein Mädchen, das in seinem Hotelzimmer aus dem Zimmer gestürzt ist und von der Markise aufgefangen wurde. Da konnte er sich aber nicht daran erinnern. Schon seltsam.

Nächstes Bild: Venedig.

Adorf: Der Markusplatz. Ich habe sehr viel in Venedig gedreht, zu jeder Jahreszeit. An einem Morgen hatte es geschneit, und ich war der Erste, der seine Fußspuren dort auf dem Platz im Schnee hinterließ.

Mehr erzählen Sie während der Tournee. Bad Kissingen ist dabei die einzige kleinere Stadt, aber eine besondere für Sie.

Adorf: Ich hatte Freunde dort. Es kam so, dass Schweinfurt einmal der Abstecherort der Münchner Kammerspiele war. Dort gab es damals aber keine guten Hotels, also wohnte man in Bad Kissingen. Ich kannte dort den Chefarzt einer Klinik, dessen inzwischen verstorbene Frau eine ehemalige Ufa-Schauspielerin war, Marina von Ditmar. Wir wurden alle sehr gute Freunde, und ich spielte dann noch häufiger im Theater und im Kurhaus. Es ist eine Ausnahme bei der Tournee, eine Anfangsstation, bei der man noch ausprobieren kann, obwohl die Premiere ja schon in Berlin war.

In Ihre Heimatstadt Mayen in der Eifel kommen Sie aber nicht.

Adorf: Wir hatten darüber gesprochen. Ich fahre aber auf jeden Fall in diesem Jahr wieder nach Mayen. Eine Lesung ist schon vereinbart. Noch ist es nicht zu spät, auch das aktuelle Programm dort zu spielen.

Die meisten Gäste dürften wegen Ihnen als Filmschauspieler kommen. Ist der Film denn noch immer das, was Sie am meisten antreibt?

Adorf: Es gibt da noch vieles andere. Wobei die Tournee aus der Idee entstanden ist, aus meinem nächsten Buch vorher einen Theaterauftritt zu machen, und nicht wie sonst andersherum. Von der Bühne hatte ich mich ja schon vor über zehn Jahren in Berlin verabschiedet.

Wobei die Rolle Ihres Lebens als Karl Marx ja weiter auf sich warten lässt.

Adorf: Das war nie politisch gemeint. Es wäre nur eine schöne Abrundung. Es gibt aber auch noch viele andere Rollen, die ich nie gespielt habe.

Aber es wäre ja nicht nur eine Rolle. Sie haben ja bereits das Ende des Kapitalismus prophezeit.

Adorf: Ich bin nur der Überzeugung, dass jeder -ismus irgendwann einmal zu Ende geht.

Unzufriedenheit mit dem Etablierten ist gerade vor allem in Dresden zu spüren, wo Sie den St. Georgs-Orden entgegennehmen. Und in Ihrer Wahlheimat Paris gab es ja erst kürzlich die Anschläge auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“. Wie lange wird die Gesellschaft denn aus Ihrer Sicht noch funktionieren, wenn sie weiter auseinanderdriftet?

Adorf: Das kann ich nicht prophezeien. Ich fürchte nur, dass ich eine Umkehr nicht mehr erleben werde, so alt wie ich bin. Aber es ist bemerkenswert, welcher Zusammenhalt in Paris gezeigt wurde. Doch dass es eines solchen Anlasses bedarf, damit etwa das Amt des Präsidenten wieder an Gewicht gewinnt, ist schon seltsam.

Anlässe, böse zu schauen – um auf Ihr Programm zurückzukommen –, wird es also wohl weiter geben. Dementsprechend noch zwei Fragen zum Schluss. Die erste: Wie sehr haben Sie als Schauspieler die vielen Rollen als Bösewicht geprägt?

Adorf: Ach, das wird alles immer etwas übertrieben. Ich hatte es nie darauf angelegt, diese Rollen zu spielen. Aber im Laufe der Jahre hat sich das ja geändert. Je mehr sich die Haarfarbe von Schwarz zu Silber gewandelt hat.

Und wen halten Sie für den derzeit besten fiesen Möpp, wie man im Rheinland und der Eifel sagt?

Adorf: Christoph Waltz. Er kann allerdings auch anders. Aber als ich ihn als SS-Mann in „Inglourious Bastards“ gesehen habe, wusste ich sofort: Dafür muss er den Oscar bekommen.

 
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