"Meine Schuld wird einst vergessen werden. Doch meine Liebe wird nicht sterben." Zum Schluss erkennt Manon Lescaut (die wie immer großartige Iordanka Derilova), dass Gold und Glitter, Bewunderung, Feste, nichts zählen. Was zählt, ist Liebe. Die hat sie verschmäht, verlacht. Und doch scheint sie im tragischen Liebestod an der Seite von Des Grieux (Ray M. Wade Jr. mit wunderschöner Strahlkraft) glücklicher als in ihrem It-Girl-Leben. So endet Puccinis Frühwerk "Manon Lescaut", zu erleben als Gastspiel des Anhaltischen Theaters Dessau im Theater der Stadt Schweinfurt.
Es gibt viele Gründe, Puccini zu lieben: Melodien mit Hit-Qualität, leidenschaftliche Liebesgeschichten, Bravourstücke für Tenöre und Sopran-Heldinnen. Bei kaum einem anderen Komponisten kann man so schön mit den Liebenden mitleiden und mitfiebern, wachsen einem die Figuren so ans Herz.
Die Welt als Warenumschlagsplatz
Aber mit "Manon Lescaut" ist es wie oft mit Frühwerken: Die Magie ist zwar schon spürbar, aber noch nicht voll entfaltet. Und die Geschichte ist kompliziert und selbst für Opernliebhaber eher krude: Ein Mädchen, auf dem Weg ins Kloster, brennt mit einem netten Studenten durch, den es gerade erst getroffen hat, genießt den Luxus an der Seite eines reichen Mannes und wird später als Verbrecherin nach Amerika verbannt, wohin ihr der nette Student in ungebrochener Liebe folgt. Vielleicht will deswegen der Funke erst nicht so richtig überspringen.
Das liegt aber nicht an der Inszenierung. Im Gegenteil. Katharina Thoma setzt Manon in eine Welt, die eine Art Warenumschlagplatz zu sein scheint. Überall Container, die sich wandeln – zum Luxusheim, zum Gefängnis, zum Schiff. Und die Ware? Erfolg. Schönheit. Geld. Frau. Beziehung.
Jordanka Derilova ist anzumerken, wie sie es genießt, Manons Facetten auch schauspielerisch zu zeigen: schüchternes Mädchen mit Zöpfen, Glamour-Mätresse und zum Schluss besonders anrührend die ungeschminkte ehrliche, echte Manon. Zusammen mit Ray M. Wade Jr. hat sie innige Momente, die besonders im tragischen Schluss begeistern.
Langsam entwickelt sich die Magie
Mit dem volltönenden Don Lee als reichem Liebhaber de Ravoir kann sie auch schauspielerisch die Diva rauslassen, die sie ist. Manon tanzt hier kein Menuett, sie macht Pole-Dance. Kostadin Argirov als ihr Bruder geht neben dieser Power ein bisschen unter. David Ameln gibt einen gewitzten Edmondo. Anne Weinkauf beeindruckt als Sängerin im Madrigal, einer witzigen Szene, in der Manon sich nicht für die ihr zu Ehren gedichteten und gesungenen Liebesschwüre interessiert, sondern für den Paketboten.
Chor und Orchester unter der Leitung von Markus L. Frank überzeugen ebenfalls. Und langsam entwickelt sich die Magie, gleichzeitig mit der so ungewöhnlichen Heldin Manon. Sie, so rücksichtslos materialistisch, ist auch nur eine Figur in einem Spiel, in dem "Lebenslust mit tiefer Melancholie ringt". Auch sie ist eine Ware. Insofern ist die Oper sehr modern, aktuell und lebensnah. Und von den Dessauern konsequent und schlüssig erzählt. Bis zum bitteren Ende, dem Liebestod ohne Verklärung.
Weitere Vorstellungen am Freitag, 7. Juni, und Samstag, 8. Juni, jeweils um 19.30 Uhr. Karten: Tel. (09721) 510.