Vanessa kramt einen Zwanziger hervor, Flo zückt einen Fünfer - bis bald 145 Euro auf dem Tisch liegen. Wirtshausmusik ertönt, und Joachim Fildhaut und Thomas Kühnert jodeln über den "Möglichkeitssinn". Aus dem Geld könnte möglicherweise mehr werden - in Wirklichkeit aber geht es wieder zurück an Vanessa und die anderen Zuschauer, die an diesem Abend bei Episode 1 zu "Der Mann ohne Eigenschaften" im Theater Ensemble einen Teil der Inszenierung erleben.
Robert Musils Werk gilt als einer der bedeutendsten Romane des 20. Jahrhundertes - und als einer der kompliziertesten. Unvollendet, mit rund 10 000 Seiten aus dem Nachlass des Autors ist es ein wenig so, "dass die Geschichte, die in ihm erzählt werden sollte, nicht erzählt wird", so Musil (1880-1942) selbst.
Aber wie bringt man so etwas auf die Bühne? Valerie Kiendl und Dominik Frank vom freien Münchner Theaterprojekt "Regiealsfaktor" hatten eine besondere Idee: Als Serie. Angelegt auf fünf Staffeln in je vier Episoden nähert man sich dem Mammutwerk. In Folge 1: "Möglichkeitssinn oder Wir könnten auch ganz anders" geht es denkbar "musileskt" zu.
Die Zuschauer werden in drei Gruppen aufgeteilt
Nach einer kurzen Einführung werden die Zuschauer im Theater Ensemble in drei Gruppen eingeteilt. Jede sieht in anderer Reihenfolge die einzelnen Sequenzen, jede erlebt den Abend anders und doch gleich. Auf der Bühne liest Andreas Protte den Romananfang vor, das erste Kapitel : "Woraus bemerkenswerter Weise nichts hervorgeht". In der eisigen Garage auf dem Hof gibt es Art-Performance: Mit einer Diashow, Stöhnen, Spucken und einer Flüsterbotschaft von Akteurin Laura Kupzog. Und im Studio des Theaters wird’s warm beim zünftigen Heurigen-Abend mit Bier in einer Rotweinflasche – eine mögliche Wirklichkeit, die nur Menschen mit "Möglichkeitssinn" erkennen können, Phantasten und Träumer.
Aber was möglich ist, kann wirklich werden – genauso wie dieses Theaterexperiment. Ein Experiment, das in Rosenheim bereits in der zweiten Staffel Erfolge feiert, so Kiendle vorab. Übrigens, Folge Eins wird nicht wiederholt, aber keine Sorge: Wer die Premiere verpasst hat, kann Folge 2 trotzdem verstehen. Eine Einführung gibt es immer, und alles steht für sich. Jeder Abend wird anders inszeniert: Folge 2 verspricht, ein eher klassischer Theaterabend zu werden, während sich Folge 3 wohl wieder experimenteller präsentieren wird. Spannend und mit offenem Ausgang – ganz wie der Roman eben auch.
Episode 2 ist am 24. November, Episode 3 am 8. Dezember und das Staffelfinale am 12. Januar zu sehen (jeweils 20 Uhr). Karten: www.theater-ensemble.net oder Tel. (0931) 44545