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Würzburg
"Man muss sich nicht permanent anbiedern"
Anna Lucia Richter singt beim Mozartfest. Was hält die 29-Jährige von Aktualisierungen - und mag die gebürtige Kölnerin eigentlich auch Pop?
Anna Lucia Richter tritt am 13. Juni beim Würzburger Mozartfest auf.
Foto: Kaupo Kikkas | Anna Lucia Richter tritt am 13. Juni beim Würzburger Mozartfest auf.
Frank Kupke
 |  aktualisiert: 03.12.2019 11:14 Uhr

Die gefeierte Sopranistin Anna Lucia Richter fühlt sich als Konzertsängerin in der großen Sinfonik genauso zu Hause wie im Lied. Ihr Repertoire reicht vom Barock bis zur Moderne. Jüngst gab sie mit Gustav Mahlers vierter Sinfonie ihr Debüt beim NHK Symphony Ochestra in Tokio. Jetzt kommt Anna Lucia Richter zum Würzburger Mozartfest. Zusammen mit dem Schumann Quartett präsentiert die 29-Jährige am 13. Juni in der Würzburger Neubaukirche ein Programm mit Liedern der Romantik, die der zeitgenössische Komponist Aribert Reimann bearbeitet hat. 

Frage: Frau Richter, Sie treten das erste Mal beim Mozartfest auf – welche Erwartungen haben Sie da?

Anna Lucia Richter: Ich freue mich sehr darauf. Das Würzburger Mozartfest ist ein traditionsreiches Festival. Und Würzburg ist einfach wunderschön.

Mit dem Schumann-Quartett haben Sie eine CD eingespielt. Ein Live-Auftritt ist da dann schon ein großer Unterschied, oder?

Richter: Wir kennen uns schon sehr lange. Live ist das dann natürlich etwas ganz anderes. Da geht es mehr darum, das Programm als Ganzes zu gestalten und weniger darum, jedes einzelne Lied für sich aufzunehmen.

Sie treten in der Würzburger Neubaukirche auf …

Richter: Ich bin mir sicher, dass das ein ganz schöner Rahmen für dieses Konzert ist. Ich liebe es, in Kirchen zu singen. Ich bin im Kölner Domchor großgeworden und habe eigentlich meine ersten Gehversuche singenderweise in Kirchen gehabt. Es ist natürlich immer sehr angenehm, weil man durch die Akustik eine zusätzliche Abrundung des Klanges erfährt. Auf der anderen Seite ist es auch eine Herausforderung, weil die Textverständlichkeit und die Durchsichtigkeit schwieriger werden.

Ihr Programm für Würzburg ist romantisch. Es aber aber auch sehr aktuell, weil die Lieder in der Bearbeitung des zeitgenössischen Aribert Reimann erklingen …

Richter: Es ist natürlich so, dass es nicht so unendlich viel Repertoire für die Besetzung Streichquartett plus Sopran gibt. Da ist Reimann ein wichtiger Komponist, weil er diverse Zyklen und Lieder für die Besetzung bearbeitet hat. Ich finde, dass Reimann da wirklich einen guten Weg gefunden hat, die Werke von Johannes Brahms, Theodor Kirchner sowie Clara und Robert Schumann zu bearbeiten. Denn da ist Reimann wahnsinnig erfahren und versiert. Und dann kommt noch der Clou, den sich Reimann ausgedacht hat, nämlich dass er zwischen die Kirchner-Lieder kurze Instrumentalstücke, die Bagatellen, dazwischen komponiert hat.

Wie wichtig ist es aus Ihrer Sicht, Dinge zu aktualisieren und in die heutige Zeit zu rücken?

Richter: Sehr wichtig. Das Programm für mein Konzert beim Mozartfest erfüllt ja diesen Aspekt auf sehr gelungene Weise. Wir haben sogar eine Uraufführung im Programm.

Sie meinen Reimanns Bearbeitung der drei Clara-Schumann-Lieder …

Richter: Ja genau. Aber unabhängig davon finde ich es immer ein bisschen schade, wenn man sagt, dass beispielsweise die Musik der Romantik uns nichts mehr zu sagen hat und alles irgendwie aktuell sein soll und auf die heutige Zeit übertragen werden muss, so als ob wir sonst mit dieser Musik überhaupt nichts mehr zu tun hätten. Ich glaube, das ist falsch. Das ist ein Denkfehler. Denn die großen Fragen des Lebens, der Menschheit und auch innerhalb der Musik haben sich eigentlich überhaupt nicht verändert. Darum ist die Aktualität eigentlich von sich aus gegeben. Die Frage ist nur, wie offen man dem gegenüber ist. Diese Offenheit der Musik gegenüber wird im Augenblick immer schwieriger. Der eigentliche Punkt ist, dass man sich nach wie vor überhaupt berühren lässt in einer Zeit, in der mittlerweile alles so wahnsinnig schnell ist und so viele Eindrücke auf einen einprasseln. Und die Folge ist dann, dass ein Stück im Radio nicht länger als drei Minuten dauern darf, weil man sich sonst angeblich nicht mehr konzentrieren kann. Ich denke, es geht darum, dass man bei sich selber anfängt, dass man dranbleibt, dass man Musik auf sich wirken lässt – und nicht, dass man erwartet, dass alle Musik auf mich sozusagen zugeschnitten werden muss, damit ich damit etwas anfangen kann. Ich halte es für einen ziemlich arroganten Ansatz, zu denken, dass alles für die heutigen Hörer angepasst werden muss, weil die heutigen Hörer nicht fähig wären, sich selber der Musik gegenüber zu öffnen.

Aber Sie selbst, Frau Richter, müssen sich ja auch irgendwie in dieser modernen Welt auf dem Markt behaupten. Sie müssen dem Publikum ja auch Häppchen anbieten …

Richter: Natürlich ist das immer eine Gratwanderung. Aber ich denke, dass viele Menschen dem Publikum zu wenig vertrauen und dass viel mehr mit Vertrauen möglich ist, als man denkt. Das ist auch zum Beispiel ein Grund, weshalb solche Konzerte wie in der Neubaukirche ganz wichtig sind. Ich glaube, dass heutzutage viele Menschen das Bedürfnis nach Momenten haben, wo sie zu sich selber finden können und wo sie innerlich Ruhe haben. Das ist ein ganz grundsätzliches menschliches Bedürfnis. Es ist nicht schlimm, wenn das dann länger als drei Minuten dauert. Ich finde, dass man auch im Radio das Schubert-Lied „Viola“ senden kann, das ja zwölf  Minuten dauert. Denn es wird Leute geben, die sich das gerne anhören. Ich glaube, man muss sich nicht immer in vorauseilendem Gehorsam permanent anbiedern.  Dafür sind die Menschen eigentlich klug genug. Und ich denke, man kann den Leuten nicht mit einem Riesenbalken, auf dem „Aktualität“ geschrieben steht, die Klassik vor die Stirn hauen.

Hören Sie eigentlich auch andere Musik – zum Beispiel Pop?

Richter: Ich sage mal jein. Ich bin natürlich schon sehr in meiner Musik drin, weil ich einfach auch sehr viel Zeit damit verbringe. Aber wenn ich Auto fahre, dann habe ich schon mal das Radio an und dann läuft auch schon mal etwas aus den Charts oder so. Aber meine Leidenschaft ist in der E-Musik.

In Ihrem Mozartfest-Programm spielt Clara Schumann  eine wichtige Rolle. Als Vorbild nannten Sie mal die Sängerin Arleen Augér. Wie schaut’s mit Clara Schumann aus, die freilich nicht Sängerin sondern Pianistin war?

Richter: Clara Schumann ist sehr faszinierend als Persönlichkeit. Ich denke, dass es da noch ganz viel zu erfahren gibt, was man noch nicht so weiß. Sie ist ganz lange als Anhängsel von Robert Schumann verstanden worden. Oder sie wurde, weil sie – was für ihre Zeit damals ungewöhnlich war – eine eigene Konzertkarriere hatte, eher als der böse Hausdrache dargestellt. Ich glaube einfach, dass diese Frau wahnsinnig stark war, wegen des Schicksals ihres Mannes auch stark sein musste und wahnsinnig viel Energie hatte. Und ich glaube, dass sie sehr intelligent war und ihrem Mann und auch Brahms auf positive Art und Weise Paroli bieten konnte.

Mozart singen Sie ja nicht –  also generell natürlich schon …

Richter: (lacht)

… aber jetzt nicht beim Mozartfest.  Sehen Sie bei dem, was Sie in Würzburg machen, dennoch Bezüge zu Mozart?

Richter: Ich glaube, man kann immer einen Bezugspunkt finden, wenn man darauf besteht. Aber ich glaube, das ist nicht nötig, um sehr gute Musik aus der Epoche der Romantik zu musizieren. Ich denke, die Innigkeit, die man bei guter Musik empfindet, die empfindet man natürlich bei Mozart. Und da ist Mozart einer der größten Komponisten aller Zeiten. Aber ich würde jetzt nicht dieses Programm mit Mozart verbinden wollen. Das sind einfach zwei verschiedene Dinge. Wenn Mozart Stücke für Streichquartett und Sopran geschrieben hätte, dann hätte ich das wahrscheinlich auch sehr gerne gesungen. Aber das gibt es nun mal nicht. (lacht)

Termin: Do. 13. Juni, 20 Uhr, Neubaukirche. Programm: Lieder von Clara und Robert Schumann sowie Johannes Brahms und Theodor Kirchner in der Bearbeitung von Aribert Reimann. Aufführende: Anna Lucia Richter (Sopran), Schumann Quartett, Birte Leest (Rezitation).

 
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