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WÜRZBURG
Mainfranken Theater Würzburg inszeniert „Terror“ im Ratssaal
Manfred Kunz
 |  aktualisiert: 21.03.2017 15:24 Uhr

„Terror“ von Ferdinand von Schirach ist das Stück der Stunde auf deutschen Bühnen. Auf die Uraufführung im Oktober 2015 folgten Inszenierungen an 38 Theatern allein in der vergangenen, sowie 16 weitere in dieser Spielzeit. Nicht zu vergessen die große ARD-Filmproduktion, die vor vier Wochen zur besten Sendezeit ausgestrahlt wurde und für große öffentliche Resonanz sorgte.

In den öffentlichen Raum, konkret: den Ratssaal des Würzburger Rathauses, geht auch das Mainfrankentheater mit seiner Version des packenden Gerichtsdramas. Bei dem die Zuschauer als Schöffen nach Beweisaufnahme, Zeugenaussagen und -befragung und den Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung das Urteil sprechen.

Angeklagt wegen Mordes in 164 Fällen ist Bundeswehrpilot Lars Koch, der nach einer Gewissensentscheidung ein von Terroristen entführtes Passagierflugzeug mit 164 Insassen abgeschossen hat und damit – vermeintlich oder tatsächlich – 70 000 Menschen in einem Fußballstadion, dem Anschlagsziel der Kidnapper, gerettet hat. Darf Leben gegen Leben abgewogen werden? Und wenn ja, welches Zahlenverhältnis wäre angemessen: eins zu vier, eins zu zehn, eins zu 100, 164 zu 70 000?

Juristisches Dilemma

Um diese Frage und das dahinter liegende juristische Dilemma der Zulässigkeit eines übergesetzlichen Notstandes hat der ehemalige Strafverteidiger und jetzige Erfolgsautor Ferdinand von Schirach ein hoch spannendes Thesen-Stück konzipiert.

Für seine Inszenierung im dafür wie geschaffenen Ratssaal setzt Regisseur Dirk Diekmann ganz auf die Stärken des Textes. Sachlich, nüchtern, weitgehend emotionsfrei lässt er seine Darsteller ganz nah an der Gerichtswirklichkeit agieren.

Herr des Verfahrens

Eberhard Peiker ist als souveräner Richter jederzeit Herr des Verfahrens, der die militärischen und juristischen Sachverhalte durch genaues Nachfragen in die Alltagssprache der Schöffen transportiert. Georg Zeies gibt mit viel Schwung den angriffslustigen und spitzfindigen Verteidiger Biegler.

Seinen Widerpart, die Staatsanwältin Nelson, wird von Anja Brünglinghaus gegeben: kühl und distanziert im Auftritt, und zugleich leidenschaftlich und engagiert fordert sie im Schlussplädoyer den Vorrang der gesetzten juristischen Prinzipien gegenüber moralischen oder gar naturrechtlichen Vorstellungen. Auf letztere beruft sich Martin Liema in seiner Gewissensentscheidung als angeklagter Kampfjet-Pilot, der im konkreten Einzelfall zum Entschluss kommt, Menschen zu töten, um Menschen zu retten.

Als Top-Gebildeter Elitesoldat verbirgt er seine inneren Zweifel nicht, beharrt aber doch auf der moralischen Richtigkeit seiner Entscheidung. Und wird darin vom Zeugen Christian Lauterbach, den Hannes Berg als technokratischen Vertreter der militärischen Logik und Sachzwänge gibt, unterstützt.

Um die menschliche Dimension erweitert Miriam Morgenstern als Nebenklägerin Franziska Meiser, deren Mann als Passagier der abgeschossenen Maschine zu einem der tragischen Opfer wurde.

Es ist eine Vielzahl von juristischen und militärischen Informationen, von allgemeinpolitischen Sachverhalten und menschlichen Schicksalen, die in knapp zwei Stunden auf das Publikum respektive die Schöffen einwirken, und in die Urteilsfindung eingehen.

Hoher Geräuschpegel im Foyer

Die machten sich die Schöffen nicht leicht, nimmt man den hohen Geräuschpegel im Pausen-Foyer zum Maßstab. Denn einer Entscheidung ausweichen konnte keiner der Besucher: Jeder Schöffe musste sich bei der Rückkehr in den Ratssaal für „Schuldig“ oder „Nicht-Schuldig“ im Sinne der Anklage entscheiden.

Mit knapper Mehrheit votierten die Premieren-Schöffen am Ende eines herausfordernden Theaterabends für Nicht-Schuldig.

Nächste Vorstellungen: 27. November, 5., 12. und 20. Dezember. Karten-Tel. 09 31/39 08-124.

Georg Zeies gibt einen angriffslustigen und spitzfindigen Verteidiger Biegler.
Foto: Fotos (3): Thomas Obermeier | Georg Zeies gibt einen angriffslustigen und spitzfindigen Verteidiger Biegler.
Martin Liema spielt den Bundeswehrpiloten Lars Koch.
Foto: Thomas Obermeier | Martin Liema spielt den Bundeswehrpiloten Lars Koch.
 
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