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WÜRZBURG
Mainfranken Theater: Riesenapplaus für Operette
Ganz in Rot und im Mittelpunkt: Barbara Schöller als Chansonette Sylva, umgarnt von Roberto Ortiz als Fürstensohn Edwin Ronald.
Foto: Thomas Obermeier | Ganz in Rot und im Mittelpunkt: Barbara Schöller als Chansonette Sylva, umgarnt von Roberto Ortiz als Fürstensohn Edwin Ronald.
Ursula Düring
 |  aktualisiert: 03.12.2019 10:07 Uhr

Was in der realen Welt, beispielsweise bei König Eduard VIII. und seiner Wallis Simpson, noch nicht möglich war, geht in der „Csárdásfürstin“ auf. Am Ende von Emerich Kálmán Operette stehen nämlich nicht „ein Herz und keine Krone“, sondern die Paare finden zueinander, die von Anfang an zusammen gehören. Ob die Liebe des Fürstensohnes Edwin zu seiner Tingeltangelfürstin Sylva allerdings ein ganzes Leben lang trägt, sei dahingestellt.

Regisseur Marcel Keller, der auch für die Bühnengestaltung verantwortlich zeigt, hat am Würzburger Mainfranken Theater das Geschehen um Liebe und Konventionen mit Sängern, Schauspielern und drei munteren Tanzpaaren inszeniert und in die späten 40er Jahre des vergangenen Jahrhunderts verlegt. In eine Zeit also, in der Menschen hungern, das zerbombte Wien in vier Zonen geteilt ist und auf dem schwarzen Markt alles verschoben wird, was nicht niet- und nagelfest ist. Die Armseligkeit dieser Jahre wird auf der Bühne sicht- und spürbar.

In die Kriegszeit versetzt

Obdachlose Menschen, die sich am Feuer wärmen, Freudenmädchen, die sich jedem Herren anbieten. Daneben die Sehnsucht nach Verdrängung der bitteren Realität im ausgelassenen Feiern. So in einem abgewrackten, zur Kleinkunstbühne umgestylten Filmtheater. Dort steigt der letzte Abend der Chansonette Sylva Varescu mit männlichen Fans und Varietéfräuleins vor ihrer Amerika-Tournee. Dort lässt sie sich zu einer achten Zugabe ihres Liedes „Heia, heia, in den Bergen ist mein Heimatland“ hinreißen.

Barbara Schöller als Sylva, in großem Kostüm, mit ellenlangem Haarzopf (Kostüme voller Fantasie von Erika Landertinger, variable Perücken der Maskenabteilung) und eingetaucht in eine ausgeklügelte Lichtregie von Roger Vanoni begeistert bereits in ihrem Auftrittslied mit Stimme und schauspielerischem Können nicht nur die Varietébesucher auf der Bühne, sondern auch die animierten Zuschauer im Theaterraum, die nicht zum letzen Mal mit heftigem Applaus reagieren.

Ein besonderes heißer Verehrer der Chansonette ist der Wiener Fürstensohn Edwin Lippert-Weylersheim, der sie partout von dieser Reise abhalten will und in Gegenwart eines Notars gegen den Willen seiner Eltern schriftlich ein Eheversprechen ablegt. Fürst und Fürstin jedoch haben bereits eine Verlobung mit Komtesse Stasi vereinbart. Anton Koelbl und Natalia Boldyrieva geben sie als leicht vertrotteltes Fürstenpaar, die in einem in die Jahre gekommenen Palais residieren, das den Glanz vergangener Zeiten ahnen lässt, aber jetzt von Rissen und schemenhaften Schatten verschandelt ist. Das Hotel dagegen, das im dritten Akt die Kulisse bildet, weist mit Lift und Pianospieler im Foyer bereits auf die aufstrebenden 50er Jahre hin.

Ohrwürmer ohne Kitsch

Mit Akiho Tsujii und Mathew Habib als Stasi und Graf Boni sorgt das Buffopaar stimmlich und schauspielerisch für viel Amüsement und Heiterkeit. Roberto Ortiz gibt den Fürstensohn Edwin Ronald, der von der Liebe getrieben, dann wieder von Konventionen gebremst wird. Sein schmeichelnder Tenor harmoniert wohlklingend mit Barbara Schöllers variablem Mezzo, macht die Ohrwürmer aus Kálmáns Feder zu einem wahren Genuss, ohne in den Kitsch abzutriften.

Die Fülle dieser Melodien („Die Mädis vom Chantant“, „Ganz ohne Weiber geht die Chose nicht“, „Das ist die Liebe, die dumme Liebe“, „Machen wir?s den Schwalben nach“) kann sich auf Töne verlassen, die aus dem Orchestergraben strömen.

Dirigentin Marie Jacquot holt sie sicher aus den Musikern heraus, die abwechselnd souverän führen oder begleiten. Der Chor (Einstudierung: Anton Tremmel), einmal ein Haufen obskurer Gestalten, einmal blaublütig, später Hotelgäste, untermalt problematische Momente und solche voller Seligkeit. Wenn es an dieser gelungenen Vorstellung des gesamten Teams etwas zu mäkeln gibt, dann höchstens die trotz Sprachcoach nicht immer verständlichen Textstellen einiger ausländischer Ensemblemitglieder – was den begeisterten Applaus des Premierenpublikums nicht mindert.

Nächste Vorstellungen im Mainfranken Theater am 5. und 15. Dezember um 19.30 Uhr und am 31. Dezember um 14.30 Uhr. Infos und Karten:

Tel. (0931) 3908-124

 
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