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WÜRZBURG
Mainfranken Theater: „Nathan“ und die Kraft des Theaters
Im Geflecht der Religionen: Meinolf Steiner als Nathan
Foto: Thomas Obermeier | Im Geflecht der Religionen: Meinolf Steiner als Nathan
Manfred Kunz
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:17 Uhr

Gotthold Ephraim Lessings Alterswerk „Nathan der Weise“ ist auch über 230 Jahre nach seiner Uraufführung ein zeitlos aktuelles Plädoyer für Aufklärung und (religiöse) Toleranz. Da ist es nur folgerichtig, dass Würzburgs Neu-Intendant Markus Trabusch das dramatische Gedicht in fünf Aufzügen an den Beginn seiner ersten Spielzeit stellt, ziehen sich doch „Glaubensfragen“ wie ein roter Faden durch diese.

Trabusch hat Lessings in den letzten Jahren an deutschen Theatern wieder häufig, am Mainfranken Theater zuletzt vor 15 Jahren gespieltes Stück mit dem neu formierten Schauspielensemble selbst inszeniert. Ines Nadler hat dafür ein nüchtern-sachliches, schwarz-weißes Bühnenbild errichtet: Es bezieht auch die Hinterbühne ein und verzichtet auf jegliche Historisierung. Auch die Kostüme (Veronica Silva-Klug) im zeitgenössischen Alltags-Look drängen die religiöse Symbolik an den Rand und betonen so den überzeitlichen Charakter der im Stück verhandelten Fragen.

Dezente Musikeinspielungen

Allein die dezenten und überaus stimmigen Musikeinspielungen (ausgewählt von Adrian Sieber) unterbrechen den Handlungsverlauf; auf weitere Effekte verzichtet die auch von den Bewegungen her reichlich entschleunigte Inszenierung gänzlich und fokussiert sich auf Text und Sprache. Das führt gerade im ersten Teil zu mancher Langatmigkeit, und – man muss es so deutlich sagen – auch zu etlichen Passagen sprachlicher Unverständlichkeit.

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Ob es allein an den oft weit hinten liegenden Positionen der Sprecher, an der Weite der offenen Hinterbühne oder an den noch unvertrauten Stimmlagen der neuen Ensemble-Mitglieder liegt, mag jeder für sich selbst beantworten.

Kein Zufall ist es sicher, dass Sultan Saladin von Georg Zeies, dem einzig verbliebenen männlichen Schauspieler aus der vorigen Spielzeit, vor der Pause den stärksten Eindruck hinterlässt. Ungewohnt, aber souverän an seiner Seite ist Mezzosopranistin Barbara Schöller in ihrer ersten Sprechtheaterrolle als Saladins Schwester Sittah. Mehr als überzeugend in der Klarheit ihres Ausdrucks und ihrer Bühnenpräsenz ist von Beginn an Anja Brünglinghaus als Nathans Gesellschafterin Daja.

Packender Disput

Nach der Pause gewinnt die Inszenierung deutlich an Dynamik und Kontur. Die Dialoge werden zum spannungsgeladenen und packenden Disput über persönliche und religiöse (Vor-)Urteile, die durch die emotionalen und zunehmend offensichtlich werdenden verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen den Figuren zusätzlich eine allgemein-menschliche Dimension erhalten. Und so verweist auch Lessings zentrale Stelle des Stückes, die von Nathan als Antwort auf Saladins Frage nach der wahren Religion erzählte Ringparabel, zurück auf den Einzelnen und sein ethisches Verhalten jenseits dogmatischer Glaubensvorschriften.

Ganz ohne großes Pathos, fast im beiläufigen Plauderton und deshalb umso eindringlicher gibt Meinolf Steiners Nathan das Plädoyer für einen emotionsfreien und von Vernunft geleiteten Blick auf die Vormachtansprüche der Religionen.

Wie schwierig das in der konkreten Wirklichkeit zu realisieren ist, zeigt die aus religiösen Gründen und dem christlichen Fundamentalismus des Patriarchen (Eberhard Peiker) scheinbar zum Scheitern verurteilte Liebe zwischen dem jungen Tempelherrn (Martin Liema) und Nathans Tochter Recha (Helene Blechinger). Es sind die beiden religiösen „Außenseiter“, ein Derwisch (Hannes Berg) und ein Klosterbruder (Paul Grote), die sich dank ihrer Spiritualität und gelebter Menschlichkeit über Glaubensdogmen hinwegsetzen und dem Stück zu einem hoffnungsvollen Ende verhelfen.

Überraschendes Schlussbild

Markus Trabusch findet dafür ein gleichermaßen überraschendes wie stimmiges Schlussbild, das zugleich ein Plädoyer für die Kraft des Theaters ist: Nichts ist so, wie es scheint, hinter Masken und Kostümen verbirgt sich oft ein ganz anderer, dem wir mit Offenheit und Aufgeschlossenheit begegnen sollten.

Ein Mut machender, im nicht ganz ausverkauften Haus stürmisch beklatschter Spielzeit-Auftakt im Schauspiel.

Nächste Vorstellungen: 7., 11., 22. und 26. Oktober. Vorverkauf: Tel. (09 31) 39 08-124

 
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