Der Vorstoß einiger Stadträte sorgt in der Diskussion um die Sanierung des Würzburger Mainfranken Theaters und die Frankenhalle für Theater. Womöglich müssen die Karten neu gemischt werden. Nach den bisherigen Planungen soll das Theater ab der Spielzeit 2014/15 in die Frankenhalle ziehen.
Der 45 Jahre alte Theaterbau am Kardinal-Faulhaber-Platz muss renoviert werden. Das dauert nach derzeitiger Planung zwei Jahre. Um den Spielbetrieb dennoch aufrechterhalten zu können, soll in die Frankenhalle ausgewichen werden. Vorher muss auch dieses Gebäude – bis 1999 wurde hier mit Vieh gehandelt – saniert und für die Bedürfnisse des Theaters hergerichtet werden. Die Sanierung der beiden Gebäude soll, so der Würzburger Kulturreferent Muchtar Al Ghusain, 30 Millionen Euro kosten.
Wenn die Frankenhalle dauerhaft und federführend vom Mainfranken Theater genutzt wird, gebe es, so der Kulturreferent, die meisten Fördermittel. Was wiederum auch die Nutzung als Übergangsspielstätte billiger mache als andere Lösungen (etwa ein Zirkuszelt). Sowohl Kulturreferent Al Ghusain als auch Theaterintendant Hermann Schneider sehen zudem die Chance, das Gebiet am Alten Hafen als Kulturquartier attraktiver zu machen. Derzeit sind dort das Museum im Kulturspeicher, der Kabarettkeller Bockshorn, die Tanzwerkstatt, die BBK-Galerie, das Kunstschiff Arte Noah und das Großkino Cinemaxx beheimatet.
Während das Mainfranken Theater wegen der Renovierungsarbeiten geschlossen ist, würde das Programm aller drei Sparten – Schauspiel, Musiktheater, Ballett – in der Halle gezeigt. Sie soll so flexibel eingerichtet werden, dass Produktionen jeder Größe möglich sind. Die Halle müsste auch die Kammerspiele (99 Plätze) ersetzen. In voller Größe fasst die Frankenhalle etwa so viele Zuschauer wie das Große Haus des Mainfranken Theaters (rund 750). Die Sitzreihen sind wie in einer Arena angeordnet. Laut Al Ghusain könne für kleine Produktionen die Arena selbst bestuhlt werden. Möglich sei, sagt Hermann Schneider, sowohl eine konventionelle Guckkastenbühne als auch eine Amphitheater-Situation. Wenn das Theatergebäude am Faulhaber-Platz wieder geöffnet ist, soll die Frankenhalle zur zusätzlichen Spielstätte für große Produktionen werden. Schneider: „Das kann ein Rockmusical sein, eine Barockoper, Shakespeare, ein Ballettprojekt.“ Die Premieren-Zahl soll nicht erhöht werden. Die neue Spielstätte sorge für bessere Probenbedingungen, man könne freier disponieren. Mehr Aufführungen seien möglich, man erreiche mehr Publikum.
Schneider und Al Ghusain sehen die Möglichkeit, mit der ungewöhnlichen Spielstätte neues Publikum fürs Theater zu interessieren. „Die Abozahlen sind bundesweit rückläufig“, sagt Schneider. Das liege unter anderem daran, dass sich Sehgewohnheiten und Freizeitverhalten geändert hätten, dass das Publikum eine andere Erwartungshaltung habe als früher – man will einen „Event“. Mit einem Spielort wie der umgebauten Auktionshalle könne man dem besser entgegenkommen als mit einem traditionellen Theater. Das produziere durchaus Schwellenängste. „Ich hoffe, dass Leute sich in der Frankenhalle ein Stück ansehen, das sie sich im Theater nicht ansehen würden“, sagt Schneider.
Hermann Schneider rechnet damit, in der Ausweichzeit weniger Publikum zu finden: „Derzeit haben wir im Mainfranken Theater 140 000 Zuschauer pro Spielzeit, ich hoffe in der Frankenhalle auf 100 000.“ Der Rückgang werde organisatorische Gründe haben (es wären weniger Aufführungen möglich als bisher). Und: „Mancher, der bisher ins Mainfranken Theater geht, wird die Halle nicht annehmen.“ Gegner der Frankenhallen-Konzepts finden es zudem problematisch, wenn sich das Theater auf zwei weit voneinander entfernte Spielstätten verteilt. Statt Geld für die Renovierung der Frankenhalle auszugeben (rund 10 Millionen sind veranschlagt), solle man lieber im Stammhaus eine weitere Spielstätte schaffen. Die Stadtverwaltung soll nun erneut prüfen, ob das Theater nicht ohne die teure Frankenhalle während der Sanierung über die Runden kommen könne.
„Das Haus braucht eine mittlere Spielstätte“, sagt Schneider. Als Beispiel nennt er den Heimatabend „Kein schöner Land“, der in dieser Spielzeit im Großen Haus läuft. Mangels Zuschauerinteresse musste schon eine Vorstellung ausfallen. Die Kammerspiele (99 Plätze, sehr kleine Bühne) seien zu klein. Für ein derartiges Stück wäre ein Saal mit 200 bis 300 Sitzplätzen ideal. Auch für derartige, mittelgroße Produktionen möchte Schneider die Frankenhalle nutzen. Denkbar wäre etwa eine Tschechow-Reihe über fünf Spielzeiten hinweg. Im Haus des Mainfranken Theaters lasse sich eine mittlere Spielstätte nicht verwirklichen: zu teuer oder technisch nicht möglich.
Es gibt Beispiele: Das Landestheater Coburg nutzt eine ehemalige Reithalle als Studiobühne; das Theater Regensburg spielt im Velodrom, einer ehemaligen Radrennbahn; Heidelberg nutzt ein früheres Kino als Theaterbühne; das Bockenheimer Depot, früher ein Bahnhof, ist als Spielstätte der Städtischen Bühnen Frankfurt bundesweit bekannt.
Hermann Schneider hat während seiner Zeit an der Deutschen Oper am Rhein in Industriebauten inszeniert und findet die Möglichkeiten für einen Regisseur faszinierend. Zeitgenössisches oder speziell für junges Publikum zugeschnittene Stücke ließen sich ebenso gut umsetzen wie ein Musikdrama von Wagner. „Es ist eine ästhetische Bereicherung“, sagt der Theatermann. Die Antiken-Projekte der vergangenen Spielzeiten im Mainfranken Theater („Ödipus“, „Orestie“, „Die Vögel“) hätten sich in der Frankenhalle gut gemacht. Schneider denkt auch an Kooperationen mit dem Mozartfest oder dem Hafensommer. Die Halle kann vermietet werden. Für große Kabarett-Veranstaltungen biete die Halle womöglich eine bessere Atmosphäre als das Mainfranken Theater.