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WÜRZBURG
Mainfranken Theater: Eine Frau tanzt auf den Papstthron
„Die Päpstin“: Ballettdirektorin Anna Vita greift eine alte Legende auf – mit den Mitteln des Tanztheaters.
Foto: Thomas Obermeier | „Die Päpstin“: Ballettdirektorin Anna Vita greift eine alte Legende auf – mit den Mitteln des Tanztheaters.
Ursula Düring
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:21 Uhr

Anna Vita kann sich auf ihre Compagnie verlassen. Das beweisen die Tänzerinnen und Tänzer, die einmal mehr mit einer beachtlichen Leistung punkten können und bei der Premiere „Die Päpstin“ im nahezu voll besetzten Würzburger Mainfranken Theater verdient mit stürmischem Applaus bedacht werden.

Die Ballettdirektorin hat sich mutig und entschlossen mit einem Stoff auseinandergesetzt, der nach dem 1996 erschienen Roman der US-amerikanischen Autorin Donna Woolfolk Cross bereits als Schauspiel und Musical zu sehen war und 2009 von Sönke Wortmann verfilmt wurde.

Nun also ein Handlungsballett aus Vitas Feder, das sich thematisch in den Spielzeit-Schwerpunkt (Auseinandersetzung mit den Religionen) einreiht und detailreich und dramatisch die Lebensgeschichte von Johanna vertanzt.

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Laut Vatikan gab es über 300 Männer, die das Papstamt innehatten. Seit dem 13. Jahrhundert jedoch hält sich hartnäckig die Legende von Johanna, die, als Mann verkleidet, seinerzeit auf den Stuhl des Papstes gewählt wurde. Durch die überzeugende Tanzleistung von Kaori Morito wird Johannas Weg von Ingelheim, dem Ort ihrer Kindheit, über Dorstadt, Fulda bis nach Rom bildlich nachvollziehbar.

Die Japanerin gibt der kindlichen Johanna, die verbotenerweise in den Büchern studieren will, viel Anrührendes. Aber auch Ausgelassenes, wenn sie zusieht und sich einmischt in die Tollereien ihrer Brüder Matthias (Aleksey Zagorulko und Mihael Belilov). Zu volkstümlich anmutenden Klängen hat sich Anna Vita fröhliche, schwingende, hüpfende Schritte ausgedacht.

Ängste und Verzweiflung

Später zeigt Kaori Morito Ängste, Verzweiflung, Zerrissenheit, Glück und Entsetzen. Ihre Körpersprache, ihre Tanztechnik, ihre schauspielerischen Fähigkeiten gehen unter die Haut. Dem Vater von Johanna zeichnet die Choreografin Strenge und den wohl eindringlichsten Charakter vor. Ioannis Mitrakis tanzt den herrschsüchtigen, zynischen Mann mit zackigen Bewegungen. Er ist kraftvoll und ausdrucksstark, überzeugt in seiner männlich-autoritären Rolle. Ebenso überzeugend Sara Hopkins als Mutter. Hier wie auch später immer im Einklang mit der Tochter, berühren die beiden in voll-endeter Harmonie.

Die Choreografin hat die Geschichte um Johanna, die gemeinsam mit dem Bruder das Elternhaus verlässt, einen Lehrer findet und ihrem späteren Geliebten begegnet, die im Kloster und letztendlich in Rom ankommt, mit viel Enthusiasmus und manch guter Idee in Tanz verwandelt. Dazu wählt sie Musik (vom Band) aus unterschiedlichen Jahrhunderten, beklemmende Computersounds neben barocken Violinen, minimalistische Klangfiguren neben sphärischen Tonfolgen, aufrüttelnde Klagen und wohltuende Harmonien.

Die turnenden Mönche

Stilisierte Kostüme, die sich an liturgischen Farben orientieren, und ein beeindruckendes Bühnenbild – ein leerer Raum, der durch einzelne bewegliche Streben verändert wird und je nach Anordnung dieser die Bedrohlichkeit oder auch Geborgenheit der jeweiligen Situation anzeigt – lässt den notwendigen Platz für Bewegung einzelner, für Pas de Deux, für das gesamte Ensemble (Bühnenbild und Kostüme von Sandra Dehler).

Einer der Höhepunkte der Aufführung ist sicher die im Tanz aufgelöste Begegnung von Johanna, ihrem Geliebten Gerold (von David Bassénz intensiv ausgearbeitet) und seiner Ehefrau Richhild (Camilla Matteucci), die mit ihrem Spitzentanz einen Hauch von Klassik in diese neoklassische Aufführung bringt.

Es liegt wohl an der Fülle des Stoffes, dass die Dramaturgie sich bisweilen überschlägt, in Hektik ausartet. Beispielsweise, wenn die Mönche im Kloster, in das Johanna als männliches Mitglied eintritt, die Betbänke als Turngeräte benutzen. Da hätte man sich mehr Andacht, mehr Besinnlichkeit gewünscht, einen größeren Einklang zwischen aktueller Handlung, Musik und Bewegung.

Am Ende bleibt die Botschaft, dass Kirche damals (wie heute) männlich dominiert war (ist) und nicht zwangsläufig ein Ort, der Wissen vermittelt (hat). Nach dem in beschwörendes Licht (durchgängig bemerkenswerte Lichtakzente von Walter Wiedmaier) getauchten Schlussbild geht ein großenteils gelungenes Experiment zu Ende.

Nächste Vorstellungen des Balletts „Die Päpstin am Würzburger Mainfranken Theater: 4., 19. und 29. November (jeweils 19.30 Uhr). Vorverkauf: unter Tel. (09 31) 39 08-124

Ioannis Mitrakis und Sara Hopkins als Eltern
Foto: Thomas Obermeier | Ioannis Mitrakis und Sara Hopkins als Eltern
 
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