In goldfarbenen Lettern auf rotem Grund erfährt die Bühne des Großen Hauses eine besondere Bestimmung: „Il piccolo teatro dei bambini“ (Das kleine Kindertheater) lädt ein zum diesjährigen Familienstück, und das Publikum im voll besetzten Würzburger Mainfranken Theater erlebt bei der Premiere von „Pinocchio“ 75 Minuten lang „teatro grande“ und ein „bello spettacolo“.
Die von Carlo Collodi erdachten „Abenteuer des Pinocchio“ erscheinen 1881 als Fortsetzungs-Comic in einer italienischen Tageszeitung. Zwei Jahre später tritt die „Geschichte eines Hampelmanns“ ihren Siegeszug über die Landesgrenzen an. In Deutschland wird die Titelfigur ab 1905 als „Das hölzerne Bengele“ berühmt und ist bis heute bei Jung und Alt beliebt.
Ramin Anaraki (Regie) und Antonia Tretter (Dramaturgie) haben das märchenhafte Stück bearbeitet und zu einem quicklebendigen Spaß geformt. In seiner dritten Regiearbeit am Würzburger Theater achtet Anaraki auf eine passende Mischung von verwegenen Turbulenzen und ruhigeren Sequenzen.
Aufgeweckter Vierjähriger
Das Tempo hält er durchgehend hoch und passt dabei die Geschwindigkeit der Szenenwechsel dem Kombinationsvermögen auch jüngerer Zuschauer an: Ein Fünfjähriger – auch ein aufgeweckter Vierjähriger – kann dem Ablauf gut folgen. Grundkenntnisse der Handlung sind für das Verständnis sicher von Vorteil.
Neben der Tischlerwerkstatt, die später auch noch als Wirtshaus und Krankenzimmer gute Dienste leistet, liegt ein Holzblock. Pinienduft steigt Meister Geppetto in die Nase und weckt den Wunsch, eine Holzfigur daraus zu schnitzen.
Mit verträumten Augen
Mit schwerem Werkzeug macht er sich an die Arbeit und löst Stück für Stück aus dem Klotz – Beine, Oberkörper, Kopf und lange Nase: Pinocchio blickt mit verträumten Augen ins Licht der Welt. Es ist szenisch eine tolle Idee, wie Geppetto zum „Vater“ wird. Sie fügt sich ein in die Vielzahl der bühnentechnischen und -bildnerischen Überraschungen, die die Ausstattung von Susanne Hiller bereithält. Drei Musikanten im geschmückten Leiterwagen begleiten die wilde Fahrt des munteren Lausbuben und seiner Gefährten durch die gefahrenvolle Fantasiewelt.
Adrian Siebers Kompositionen, die in ihrer beschwingten Melodik leicht ins Ohr gehen, und seinen gefälligen Liedern fehlen nur ein paar Takte zu einer Musical-Version dieses spannenden Spiels. Neben dem Notenkünstler bringen sich Kevin Sauer und Tobias Schirmer in das forsche Trio ein. Meinolf Steiner hat als Geppetto alle Last eines strapazierten Vaters zu tragen. Er meistert dies mit der nötigen Gelassenheit, wenn ihn Aufregung und Niedergeschlagenheit nicht weitergebracht haben. Es ist ja auch ein Kreuz mit dieser „Holzkopfpuppe“, die mit steifen Beinen ins Leben stakst und bald flink von einer Gefahr zur nächsten stolpert!
Naiv und frech, schneidig und schmiegsam wächst Cedric von Borries als Pinocchio schnell zum Herzbuben heran. Dass er die Schule schwänzt und lieber ins Land der 1000 Spiele eintaucht, wo ewige Ferien und Popcorn im Überfluss winken, macht ihn zum kindgerechten Kameraden. Stürmisch belacht wird der temperamentvolle Lügner, als ihm die Nase wächst ob seiner Schummeleien.
Üppig ausgestattet
Als steter Begleiter des fixen Lausers macht Hannes Berg als grasgrüne Grille eine elegante Figur, trunkene Ausfälle inklusive. Als gerissene Gauner, falsche Polizisten und windelweiche Verführer sorgen Hannah Walther (Füchsin) und Martin Liema (Kater) für Furore. Paul Walther steht als Puppenspieler, umtriebiger Wirt und Direktor des Spielzeuglandes seinen Mann. Als liebevoll-besorgte Fee überzeugt Helene Blechinger und Bastian Beyer wird seiner Aufgabe als Eugenio, Kasperle und Thunfisch absolut gerecht.
Das fantasievolle und üppig ausgestattete Kindertheater kann auch Erwachsene gut unterhalten.
Nächste Vorstellungen: 26. November (11 Uhr), 29. November, 1. Dezember (jeweils 9 und 11 Uhr). Vorverkauf Tel. (09 31) 39 08-124