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WÜRZBURG
Mainfranken Theater: Boxer auf der Bühne
Manfred Kunz
 |  aktualisiert: 07.07.2014 07:51 Uhr

Nicht erst seit dem großen Bertolt Brecht stehen Boxen und Theater in enger Verbindung. Bereits die Antike inszenierte den Körperkult um die Faustkämpfer oft als theatrales Spektakel. Von der Antike bis in die Gegenwart spannt der Berliner Theaterautor Lothar Trolle den Bogen in seiner Collage „K. o. nach zwölf Runden (Stunde der Boxer)”, die das Würzburger Mainfranken Theater zur Uraufführung brachte. Es ist kein Theaterstück im traditionellen Sinn, eher ein Sprachgeflecht aus Monologen, Erzählungen und Reportagen, ein Mix aus nüchterner Sachsprache und immer wieder poetischer Verdichtung.

Der Berliner Regisseur Sascha Bunge inszeniert mit seinem Produktionsteam (Constanze Fischbeck: Bühne, Kostüme, Video; Stefan Faupel: Musik) die disparate Szenenfolge als bunten, sehr sinnlichen Bilderbogen, steigert den gelegentlich anarchisch wirkenden Szenen-Mix mit viel Musik und mit einem breiten Repertoire an Stilmitteln zu einem rasanten Revue-Spektakel.

Das Publikum leidet mit

Einen wesentlichen Anteil daran hat der reaktivierte Bürgerchor – vor Jahren für die Aufführung von antiken Klassikern gegründet –, dessen ergänzende, kommentierende und widersprechende Kommentare dem Verlauf eine eigene Dynamik verleihen.

Das ist auch notwendig, weil die einzelnen Szenen allenfalls lose miteinander verbunden sind: Da folgt auf das starke Eingangsbild, in dem eine schicke Steh-Party über ein Gerangel hin zu einer (Massen-)Schlägerei entgleist, eine etwas umständliche Erläuterung des „K. o.“-Begriffes; da stehen sportgeschichtliche Exkurse neben martialischer Kämpfersprache; eine detailgenaue Beschreibung der körperlichen Abläufe bei einem Niederschlag wird von einer hochpoetischen Beschreibung der Lebenswelt des Farmerssohns Joe Louis, dem womöglich besten Boxer aller Zeiten, abgelöst.

Und das Publikum leidet mit, mit den tragischen Kampf- und Lebensgeschichten etwa von Arthur Abraham, Graciano Rocchigiani und Al Brown oder den weiblichen Box-Berühmtheiten Susianna Kentikian und Rola El-Halabi, einer Libanesin aus Ulm, die – besonders tragisch – von ihrem Stiefvater mehrfach angeschossen wurde und nur wenige Monate später ein großartiges Comeback im Ring feierte. Deutlich wird da, wie nahe Triumph und Tragödie beieinanderliegen, wie winzigste Details den Verlauf eines Kampfes in die eine oder andere Richtung verändern können, wie „eine Zehntelsekunde” über Sieg oder Niederlage entscheiden kann.

Immer wieder aufstehen

Und besonders herausgestellt wird in Bunges Inszenierung ein Moment, das den Boxsport von anderen Sportarten trennt und das den Regisseur fasziniert: das, was nach dem K. o. mit dem niedergeschlagenen Kämpfer passiert: Trotz aller Schmerzen aufstehen wollen, sich aufrappeln, weiter zu machen, sich nicht unterkriegen zu lassen, es immer wieder zu probieren – auch wenn der Verstand etwas ganz anderes fordert. Es sind jene irrationellen Momente, die jenseits aller modischen Trends den Boxsport über alle Zeiten hinweg attraktiv machen.

In den schnell wechselnden Szenen und Rollen beweisen sich die sieben Ensemble-Mitglieder Robin Bohn, Maria Brendel, Petra Hartung, Alexander Hetterle, Sven Mattke, Theresa Palfi und Timo Ben Schöfer als extrem wandlungsfähig und in ihrer Körperlichkeit überaus präsent, sowohl in den jeweiligen Monologszenen, vor allem aber auch in der Interaktion mit dem Bürgerchor; ein „echter“ Amateur-Boxer (im Wechsel Tino Langbein, Frank Schneider, Stian Schüler) bringt sogar den realen Trainingsalltag auf die Bühne des Theaters.

Der rote Faden

Allenfalls vermisst man bei aller stilistischen Vielfalt und inhaltlichen Bandbreite ein bisschen die Fokussierung auf den roten Faden. Denn das von Regisseur Sascha Bunge gezogene Fazit im Programmheft: „Boxen ist Unterhaltung, Boxen ist ein Märchen, Boxen ist Hingabe und Verausgabung, Boxen ist Theater“ ist vielleicht doch etwas wenig für einen kurzweiligen, aufwendigen, teilweise sogar spektakulären Theaterabend, den das Publikum bei der Uraufführung im Großen Haus mit intensivem Applaus honorierte.

Nächste Vorstellungen: 9. und 12. Juli. Wiederaufnahme in der nächsten Spielzeit. Vorverkauf: Tel. (09 31) 39 08-124.

 
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