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WÜRZBURG
Mainfranken Theater: Auf Handkes Holzbank unterm Apfelbaum
Endlich, ist man versucht zu sagen, steht ein Bühnentext von Peter Handke auf dem Spielplan des Würzburger Mainfranken Theaters. Und dann gleich sein jüngstes Meisterwerk, „Immer noch Sturm“, das von der Zeitschrift „Theater Heute“ im vergangenen Jahr zum „Stück des Jahres“ ...
Der Erzähler und seine Mutter: Edith Abels und Kai Christian Moritz in „Immer noch Sturm“.
Foto: Thomas Obermeier | Der Erzähler und seine Mutter: Edith Abels und Kai Christian Moritz in „Immer noch Sturm“.
Von unserem Mitarbeiter Manfred Kunz
 |  aktualisiert: 17.03.2013 19:46 Uhr
Auch das Würzburger Premierenpublikum bedachte die Inszenierung von Bernarda Horres im nicht ganz voll besetzten großen Haus mit lang anhaltendem Applaus. Dabei greift Handke in „Immer noch Sturm“ mit dem Blick auf die eigene Biografie ein ernstes Thema auf und entwirft ein vielstimmiges Sprachgeflecht über eine verlorene Familie, eine verlorene Heimat und ein verlorenes Volk.

Ein namenloser Erzähler

Ein namenloser Erzähler (Kai Christian Moritz) blickt zurück auf das Jahr 1942 (zugleich auch Handkes Geburtsjahr), erinnert sich seiner Außenseiter-Kindheit inmitten der Wirren des Zweiten Weltkrieges und holt sich in einem Traumspiel die lebenden und die verstorbenen Familienmitglieder in die Bühnen-Wirklichkeit.

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Wie aus den Tiefen des Unbewussten schreiten Großvater (Max de Nil) und Großmutter (Franziska Kleinert), die Mutter des Erzählers (Edith Abels) sowie deren vier Geschwister Gregor (Kai Markus Brecklinghaus), Valentin (Boris Wagner), Ursula (Maria Brendel) und Benjamin (Robin Bohn) vom Bühnenuntergrund über eine unsichtbare Rampe langsam nach oben. Und offenbaren im dialogischen und szenischen Wechselspiel mit dem Erzähler eine packende, geradezu dramatische Familiengeschichte im Grenzgebiet zwischen Kärnten und Slowenien. Die Zuschauer blicken auf eine Großfamilie, die zerrissen wird zwischen deutschnationaler Ideologie und dem Einsatz für die Partisanenbewegung, die zwei Söhne „im Felde“ verliert und eine Tochter wegen ihres Engagements für die Partisanen, die von den historischen Ereignissen förmlich überrollt wird und am Ende vor ihren enttäuschten Hoffnungen sitzt.

Sinnbild dafür ist die alte Holzbank unterm Apfelbaum, mit der Bühnen- und Kostümbildnerin Anja Jungheinrich auf der ansonsten leeren Bühne den Ort des Geschehens, das „Jaunfeld“, lokalisiert. Ein fiktiver Sehnsuchtsort, vor dem sich die vereinzelten Stimmen und Erklärungen des Erzählers zu einem großen poetischen Gemälde verbinden, das weit über die konkreten historischen Ereignisse hinausweist.

Besonders deutlich wird das im Schlussdialog zwischen Ich-Erzähler und Gregor, dem einzigen Onkel, der überlebt hat: „Einmal die Heimat verloren – für immer die Heimat verloren. Es herrscht weiterhin Sturm. Andauernder Sturm. Immer noch Sturm.“ Ein resignierender Blick auf die vergeblichen Kämpfe und verlorenen Illusionen – und angesichts des Premierendatums 16. März zugleich ein mehr als würdiger Beitrag des Mainfranken Theaters zur Würzburger Erinnerungskultur.

Die nächsten Aufführungen: 23., 27., 31. März, 6., 10. April jeweils 19.30 Uhr (auf dem Spielplan bis 6. Juni). Karten unter Tel. (09 31) 39 08 - 1 24.

 
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