(epd/dpa) Keine lacht so strahlend wie Liselotte Pulver: Ihr Gesicht kann sich in Sekundenschnelle verwandeln, zuerst ernst oder unbeteiligt sein, dann geradezu explodieren vor Heiterkeit. Am heutigen Samstag, 11. Oktober, wird die populäre Schweizer Schauspielerin 85 Jahre alt. Dabei ist ihr Lachen weniger eine darstellerische Leistung als eine Lebenshaltung. Auch im hohen Alter lacht sie noch immer gern und herzlich.
Ihren Optimismus hat sie einem nicht immer leichten Leben abgerungen. Im Jahr 1989 stürzte sich ihre drogenabhängige Tochter vom Berner Münster. 1992 verlor sie ihren Ehemann, den Regisseur Helmut Schmid, mit dem sie 31 Jahre lang verheiratet war. In Bern wurde Liselotte Pulver am 11. Oktober 1929 geboren, sie ging dort zur Handelsschule, bevor sie eine Schauspielausbildung begann und erste Theaterrollen in Bern und Zürich erhielt. Ihre großen Erfolge, vor allem im Film, feierte sie ab den 50er Jahren in der Bundesrepublik. Sie spielte auch in Frankreich und in Hollywood. Später war sie oft im Fernsehen zu sehen, zuletzt 2007 in „Die Zürcher Verlobung – Drehbuch zur Liebe“.
Die Verbindung zur Schweiz riss nie ab: Die längste Zeit ihres Lebens wohnte sie am Genfer See, auch heute wieder. Lilo Pulvers wichtigster Regisseur in Deutschland war Kurt Hoffmann, mit dem sie zehn Filme drehte, allesamt Komödien.
Bekannt wurde sie mit „Ich denke oft an Piroschka“ (1955). Als wunderbar deutsch radebrechendes ungarisches Bauernmädchen bezaubert sie einen Studenten aus Deutschland (Gunnar Möller). Im „Wirtshaus im Spessart“ (1957), auch von Hoffmann, spielt sie eine ihrer vielen Hosenrollen. Der Räuberhauptmann hält sie zunächst für einen Jungen, Liselotte Pulver wechselt ebenso unschuldig wie verführerisch zwischen den Geschlechtern. Der Film machte sie zum Star, war so erfolgreich, dass zwei Fortsetzungen gedreht wurden.
In Helmut Käutners „Die Zürcher Verlobung“ (1957) konnte sie zwischen zwei Verehrern wählen, den wohl prominentesten, die der deutsche Film damals zu bieten hatte: Paul Hubschmid und Bernhard Wicki. In Käutners „Glas Wasser“ (1960) traf sie sogar auf Gustaf Gründgens. Zu ihren ernsten Rollen gehörte die Tony in den „Buddenbrooks“ von Alfred Weidenmann (1959). In dieser Zeit begann auch ihre internationale Karriere, die ihr einige ihrer schönsten und anspruchsvollsten Rollen brachte.
1957 spielte sie in dem US-amerikanischen Film „Zeit zu leben und Zeit zu sterben“ von Douglas Sirk eine junge Frau, die Ende des Zweiten Weltkriegs in Berlin ihren Jugendfreund während seines letzten Heimaturlaubs heiratet. Der Regisseur Jean-Luc Godard, damals auch Filmkritiker, reagierte enthusiastisch: „Ich liebe sie. Noch nie fand ich eine junge Deutsche im zusammenbrechenden Dritten Reich so überzeugend.“ Eine schwierige Rolle gab ihr Jacques Rivette in seiner Diderot-Verfilmung „Die Nonne“ von 1965, sie verkörperte die lesbische Oberin eines Klosters. Mit unaufdringlich dezentem Spiel war sie eine ebenbürtige Partnerin des Nouvelle-Vague-Stars Anna Karina.
Und sie wirkte mit in Billy Wilders Kalter-Krieg-Satire „Eins, zwei, drei“. Der Film wurde vor dem Bau der Mauer 1960 in Berlin gedreht, kam aber erst danach heraus – heute ist er ein Kultfilm. Pulver spielte in der Westberliner Coca-Cola-Filiale die Sekretärin Ingeborg. Die Coca-Cola-Erbin hat sich bei einem Berlin-Besuch in einen Ostberliner (Horst Buchholz) verliebt und ist schwanger. Was tun? Die Heirat verhindern oder den Kommunisten in einen Kapitalisten verwandeln? Pulver geht mit ihrem Chef (James Cagney) durch dick und dünn. Unvergesslich ihr furioser Tanz vor einer russischen Handelsdelegation auf einem Tisch in einem Ostberliner Hotel.
Schweizerisches Pflichtgefühl
Dem aberwitzig schnellen Tempo, das Billy Wilder in „Eins, zwei, drei“ vorlegte, war Lilo Pulver lässig gewachsen. Obwohl sie in dem Werk nur eine Nebenrolle spielt, ist die Schauspielerin auf diesen Film noch immer besonders stolz.
Die niedliche, nette Schweizerin war der Star des Wohlfühlkinos, das die Deutschen in den Nachkriegs- und Wirtschaftswunderjahren so sehr mochten. Ganz sicher hätte sie auch neben Hollywoodstars glänzend ausgesehen. Doch der Sprung ins Film-Mekka blieb Pulver nicht zuletzt wegen ihres schweizerischen Pflichtgefühls versagt. Weil sie Verträge in Deutschland nicht brechen wollte, ließ sie Angebote aus Kalifornien sausen. Darunter Rollen an der Seite von Charlton Heston in „Ben Hur“ und „El Cid“. Für letzteren Film bekam Sophia Loren den Zuschlag. Die „Unterschätzte“ wurde Pulver damals von einer Zeitung genannt.
Noch mit 80 erschien die Tochter einer Sängerin bei einer Hochzeitsfeier mit großer Geste in Aufsehen erregendem Lila. Später zog sie aus einer Berner Altersresidenz wieder aus, um erneut selbstständig am Genfersee zu leben, wo auch Sohn Marc-Tell wohnt. Wie sehr ihr auch im Alter der Beruf im Blut steckt, bekannte Pulver im Oktober 2013. Bei einer Gala in Dortmund nahm sie mit dem Steiger-Award einen weiteren Preis für ihr Lebenswerk entgegen.
Auf der Bühne habe es wieder mal so richtig gekribbelt, sagte sie anschließend – und stellte einmal mehr ihren Humor unter Beweis. Gern würde sie noch „eine schöne Rolle“ spielen, erzählte sie. Doch mit wem? Pulvers Antwort: „Ich habe nicht mehr viele alte Freunde. Die meisten sind tot. Mit Götz George wäre es wunderbar.“
In Deutschland ist Lilo Pulver bis heute populär geblieben. Und so ist es auch konsequent, dass sie die wohl spektakulärste Auszeichnung unter ihren vielen Preisen und Ehrungen 2011 in Berlin erhielt: einen Stern auf dem „Boulevard der Stars“.