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WÜRZBURG/KARLSTADT
Lenssen stiftet Kunstsammlung
Jürgen Lenssen in den Ausstellungsräumen des Museums am Dom. Das Bild entstand im Frühjahr.
Foto: Thomas Obermeier | Jürgen Lenssen in den Ausstellungsräumen des Museums am Dom. Das Bild entstand im Frühjahr.
Klaus Gimmler
 |  aktualisiert: 03.12.2019 10:09 Uhr

Die Wohnung von Jürgen Lenssen in der Würzburger Herrnstraße ist voller Kunstwerke. Skulpturen stehen in jeder Ecke. Wo keine Bilder hängen, sind Regale voller Bücher. Doch bald wird wieder sehr viel Platz in seiner Wohnung sein. Denn der ehemalige Kunstreferent der Diözese Würzburg will 182 Gemälde, Skulpturen, Zeichnungen und Grafiken aus seinem Privatbesitz der Stadt Karlstadt in einer Stiftung überlassen. Diese sollen in einem festungsartigen Komplex in der Altstadt (Hauptstraße 9), welcher derzeit renoviert wird, in einem neuen Museum gezeigt werden.

„Wissen Sie“, sagt Lenssen bei einem Pressegespräch in seiner Wohnung, „ich bin jetzt 70 Jahre alt.“ Er müsse sich Gedanken machen, was mit all den Dingen hier geschehe und er deutet auf die Wände. „Daher freue ich mich, meine Sammlung als Stiftung hergeben zu können.“ Er verstehe dies als Dienst am Menschen. Was die Sammlung für einen Wert hat? Lenssen denkt kurz nach. Nein, in Euro könne man dies nicht angeben. Da wäre jede Zahl falsch. „Sie hat einen großen Wert“, sagt er schließlich.

Den Plan, das Haus in der Hauptstraße 9 in Karlstadt zu einem Museum auszubauen, gibt es schon lange. Der Arbeitstitel war lange Zeit „Kunst und Geist der Neuzeit“ als Kunstsammlung der Diözese Würzburg. Damit wäre die Lücke zwischen den Museen in Gerolzhofen „Kunst und Geist der Gotik“ sowie in Oberschwappach „Kunst und Geist des Barock“ geschlossen. Allerdings habe die Diözese zurückgezogen. Daher habe Lenssen angeboten, das Museum mit zeitgenössischen Kunstwerken aus seiner Sammlung zu bestücken.

Der Wandel im Weltbild

Das Konzept habe er verändert. Der Titel der Ausstellung werde jetzt „Zeitbrüche“ sein, was nach Lenssens Worten hervorragend zu dem Gebäude passe. Ausgangspunkt ist die Zeit des historischen Umbruchs vor 500 Jahren. Es habe damals gewaltige Veränderungen gegeben. Kolumbus hat Amerika entdeckt, die Reformatoren das Gottesbild verändert, aus dem strafenden wurde der gnädige Gott, und die Erde wurde von der Scheibe zum Globus.

Einen vergleichbaren Umbruch sieht Lenssen in der Gegenwart. Der Mensch werde immer mehr als wirtschaftlicher Faktor gesehen, entwürdigt in der Arbeitswelt, über den man verfügt. Es zähle nur der Profit. Die Erde werde ausgebeutet. Auch das Gottesbild sei im Wandel. Das Bild von Gott als gutem Hirten greife bei vielen nicht mehr angesichts des vielen Elends in der Welt.

Lenssen will daher in dem neuen Museum, ausgehend von der Neuzeit, eine Brücke zur Gegenwart bauen. Beide Zeitsituationen seien einander verwandt, sagt er, und es seien die Künstler gewesen, die „als Seismografen der Gesellschaft die Frage des Wandels immer wieder aufgegriffen haben“. Mit seinen Kunstwerken aus dem 20. und 21. Jahrhundert will Lenssen den gegenwärtigen Umbruch im Welt-, Menschen- und Gottesbild dokumentieren.

Plastiken, Gemälde und Zeichnungen

In dem Museum werden dann Werke unter anderem von Mutsuo Hirano, Maria Lehnen, Herbert Mehler, Jacques Gassmann, Harald und Thomas Lange, Luis Caballero, Le Corbusier, Alfred Hrdlicka, Janis Kounellis und Polykarp Uehlein zu sehen sein. Damit könne Karlstadt einen Bestand vorweisen, der auch in großen Museen gern präsentiert werde, sagt Lenssen.

In der Wohnung des Sammlers liegt auf einem Tisch ein großer Architekturplan, der jeden Raum des neuen Museums zeigt. Jürgen Lenssen weiß schon genau, welches Kunstwerk in welchem Zimmer hängen oder stehen soll. Jeder Raum hat einen Titel.

Geplant ist, einzelnen Werken viel Platz zu geben, doch es sollen auch Kunstwerke nach Art der „Petersburger Hängung“ präsentiert werden. Dazu werden Bilder und Grafiken sehr dicht aneinander gehängt. „Letztlich sind Veränderungen jederzeit möglich“, sagt Lenssen, sollten sich bei der Einrichtung bessere Lösungen ergeben.

Die baugeschichtlichen und historischen Höhepunkte der Ausstellungen werden, laut Planung, im zweiten Stock zu finden sein. Dort hatte das Würzburger Domkapitel im 16. Jahrhundert seine Rückzugsräume, wenn es aufgrund kriegerischer Wirren – oder wenn eine Seuche wie die Pest wütete – die Stadt verlassen musste.

Dort finden sich kunsthistorisch wertvolle Gemälde an den Wänden, die im Zuge der Renovierung wieder hergestellt werden. „Diese Räume sind an sich schon ein Kunstwerk“, so Lenssen. In diesen soll es nur Vitrinen in der Mitte des Raumes geben, in denen weitere Kunstwerke ausgestellt sind. Die Wirkung der Gemälde werde so nicht beeinträchtigt.

Ruf als großer Kunstkenner

In diesem Frühjahr ist Jürgen Lenssen als Kunstreferent der Diözese in den Ruhestand getreten. Sein Ruf als Kunstkenner hat aber immer noch Gewicht, wobei man von ihm auch weiß, dass er Konfrontation nicht scheut. Kunst müsse nicht schön sein, sie müsse auch provozieren, ist sein Credo. Sie müsse etwas hervorrufen, was sich auf den ersten Blick nicht erschließt.

Dies trifft auf die Kunstwerke zu, die er der Stadt Karlstadt vermachen will. Den Großteil hat er in den vergangenen Jahren gekauft – teilweise auf Messen, von Galerien, manches habe er auch geschenkt bekommen, sagt er. Der Preis für ein Werk ist da oft nicht ausschlaggebend. „Man kann auch für Mist viel Geld ausgeben“, sagt er schmunzelnd.

Lenssen freut sich selbst sehr über die Möglichkeit, seine Kunstwerke in Karlstadt präsentieren zu dürfen. Er hofft auch, damit die Attraktivität der Stadt Karlstadt steigern zu können. Das Museum werde überregionale Bedeutung haben, ist er sich sicher. Wenn alles klappt, wird es Mitte 2019 eröffnen.

 
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