Iphofen Sie steht in der Mitte des Raumes. Nackt, schlank, voller Würde. Scheinbar ein Fremdkörper inmitten der Reliefs, die an den blauen Wänden des Zimmers aufgehängt sind. Sie scheinen die Skulptur in gehörigem Abstand zu umranden. Doch erstaunlicherweise fügt sich die Frauengestalt in den Reigen, überwindet Jahrhunderte der Zeitgeschichte, schrumpft Vorgestern und Jetzt zu einem großen Ganzen.
Die Skulptur von Philipp Mendler aus den 1980er-Jahren ist eines der Exponate, die an der Aktion „Kunst geht fremd . . . . und unter die Haut“ beteiligt sind. Von ihrem ursprünglichen Standort, dem Kloster Wechterswinkel, ist sie nach Iphofen transportiert worden und bis zum 8. November dort im Knauf-Museum zu bewundern. Aus der Sicht von Markus Mengenthaler ist ein solcher Austausch spannend. „Man sieht von einem anderen Blickwinkel auf die eigene Sammlung“ betont der Leiter des Knauf Museums, „man muss allerdings einen Punkt finden, an dem die Kunstwerke zusammenpassen.“ Der ist mit der bronzenen Schönen, die beim Blick von außen in den Hethiter-Raum wie in einem Rahmen dasteht, feinfühlig und wohl überlegt erspürt worden. Die Hethiter waren jenes kleinasiatische Volk des Altertums, das im 2.
Jahrhundert vor Christus dort politisch und militärisch auftrat, wo die Landkarte heute Libanon und Palästina ausweist. Die Reliefs zeigen Repliken von Kampfszenen, Kriegern und Göttern.
Das Knauf Museum hat sich auf Repliken aus aller Welt spezialisiert. Besucher können, ohne permanent quer über den Globus reisen zu müssen, der Weltkunst der bedeutendsten Kulturen des Altertums – von Mesopotamien über Ägypten, Griechenland, Rom und Altamerika bis Indien – begegnen, auch Werken, die durch Umwelteinflüsse oder durch Kriege mittlerweile zerstört sind. Durch eine dünne Haut aus Silikon werden Gleichnisse geschaffen, die dem Original meist zum Verwechseln ähnlich sehen. Die Reproduktionen des Knauf Museums entstehen mittels eines Silikonabdruckverfahrens. „Hierbei werden Originale erst mit einem Trennmittel und dann mit flüssigem Silikonkautschuk überzogen“, erklärt Mergenthaler. Die sich dabei bildende Haut stellt die Replik im Negativ dar. Ihre Form wird durch das Auftragen einer Gipsschicht stabilisiert und steht für den Positivabguss zur Verfügung.
Philipp Mendler, ein 1936 in München geborener Künstler, der 1995 in Bischofsheim in der Rhön starb, hat für sein Werk seinerzeit vermutlich auch einen Gipsabdruck gefertigt. Er war Absolvent der Bischofsheimer Schnitzschule, studierte anschließend an der Nürnberger Kunstakademie. Ausgezeichnet von der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, erhielt er 1968/69 ein Stipendium für die Villa Massimo in Rom. Von 1973 an wurde er für gut zehn Jahre Leiter der Berufsfachschule für Holzbildhauer in Bischofsheim. Dort machte er seinen Einfluss geltend und die Schnitzschule zur künstlerisch orientierten Ausbildungsstätte für Bildhauer.
Die weibliche Figur hat keine glatt polierte Oberfläche. Ihre „Haut“ ist eher aufgeworfen, rau und porös. Man könnte meinen, ihr Schöpfer habe sich von der vulkanischen Schönheit der Rhöner Landschaft inspirieren lassen. „Verwerfungen, Spuren der Veränderung sowie das Einwirken äußerer Einflüsse stehen als Sinnbild für das Schicksal eines Individuums an sich“, so Mergenthaler. Neben den Abgüssen der antiken Torsi der Skulpturensammlung stößt er den Dialog zwischen moderner und antiker Plastik an, schafft in der gemeinsamen Begegnung ein hochinteressantes Spannungsfeld.
Knauf-Museum Iphofen
Das Knauf-Museum in Iphofen (Am Marktplatz, Tel. 0 93 23/31- 528 oder 31- 0) ist geöffnet Dienstag bis Samstag 10-17 Uhr und Sonntag 11-17 Uhr. Internet: knauf-museum@knauf.de