So wenig Zufall wie möglich.“ Darum geht es Jakob Bill. Wer mit dem Schweizer über seine Bilder redet, taucht ein in ein erstaunliches Universum. Eines, das streng geordnet ist. Geplant. Und deshalb eben auch: weitestgehend ohne Zufall.
Jakob Bill, 71, ist als Maler schon früh in die Fußstapfen seines Vaters Max Bill (1908 bis 1994) getreten. Der war, unter anderem, einer der wichtigsten Vertreter der Konkreten Kunst. „Ich bin damit aufgewachsen, für mich ist das eine Selbstverständlichkeit gewesen“, erzählt Jakob Bill. Mit 15 stellte er das erste Mal aus. später hingen auch Werke von Sohn Bill in den Ausstellungen des berühmten Vaters – um die Unterschiede zu zeigen.
Seit 1957 also widmet sich Jakob Bill vor allem der Farbe: Die Form sei „das Vehikel, auf der man die Farbe aufbaut“, erklärt er, und der melodische Schweizer Tonfall kann nicht völlig darüber hinwegtäuschen, dass Jakob Bill nicht wirklich gerne über die eigenen Werke theoretisiert. Wie die Bilder der ersten Generation Konkreter Künstler bilden die Werke des Autodidakten nichts aus der wirklichen Welt ab. Keine Bäume, keine Häuser, keine Menschen, auch nicht in abstrahierter Form. „Es ist eine intellektuelle Geschichte“, charakterisiert Jakob Bill seine Kunst.
Die Aussage, dass seine Malerei nichts mit der uns umgebenden Realität zu tun habe, lässt er indes nicht gelten. Weil es eben auch eine Realität des rein Geistigen gibt. Die man sich wohl so vorstellen muss wie die Welt der Mathematik, die in einem eigenen Universum existiert. Vielleicht im gleichen wie die Konkrete Kunst.
Mathematik spielt bei der Konzeption Bill'scher Bilder eine Rolle, aber nicht nur: „Die Ordnung, die dahintersteckt, muss nicht zwangsweise eine mathematische sein.“ Man könne sie aber mathematisch ausdrücken, denn es geht – auch – um Seiten- und Längenverhältnisse. Vor allem aber geht es um Farbverläufe, also feinste Farbveränderungen in Flächen oder Bändern, die sich von einer Farbe zur nächsten entwickeln, dem Spektrum eines Regenbogens vergleichbar. Diese Farbverläufe sind geplant: Jakob Bill hat seine Bilder im Kopf, bevor er zu Farbtuben und Spachtel greift. Spontanität beim Malen? „Gibt es fast nicht mehr“, sagt er. „Es gibt ganz kleine Abweichungsmöglichkeiten, die für einen Betrachter aber wahrscheinlich nicht wahrnehmbar sind.“
Bill arbeitet bevorzugt in Öl. Die modernere Acrylfarbe trocknet zu schnell. Schattierungen, eine Spezialität vieler Jakob-Bill-Werke, lassen sich nur mit der langsam trocknenden Ölfarbe verwirklichen. Die klassische Malweise macht es möglich, der Strenge des Bildaufbaus „eine poetische transparente Dimension zu verleihen“, wie es im Katalog zur Ausstellung „Jakob Bill – Das Glück der Farbe“ im Würzburger Kulturspeicher heißt (siehe Kasten). Doch die klassische Malweise macht es auch nahezu unmöglich, völlig glatte, makellos einfarbige Flächen zu schaffen. Man sieht die Spur des Spachtels, erkennt aber nicht mehr den ursprünglichen, mehrteiligen Farbauftrag, was zu hauchzarten – und ungeplanten! – Nuancen führt. Bill: „Das ist ein Risiko, das ich eingehen muss. Es ist eben Handarbeit.“ Und ein kleines Schlupfloch, durch das sich der Zufall in die berechnete Welt schleichen kann, ein Wurmloch zwischen dem Konkreten Universum und der von Zufällen bestimmten wirklichen Welt.
Der Mann, der im Brotberuf Archäologe war, sieht seine Malerei nicht als Erschaffung einer logischen und ordentlichen Gegenwelt zur unordentlichen und unlogischen Realität. Es ist keine Flucht in eine, im Leben unerreichbare, Ordnung. Eine überdurchschnittliche „Sehnsucht nach Ordnung“ sei nicht seine Motivation. Die Welt der Gegenstände ist einfach nicht sein Thema, jedenfalls dann nicht, wenn er malt. Eher dehnt Bill sein Universum über das Bild hinaus in den realen Raum: „Die Farbverläufe können auch zu einem Ziel streben, das außerhalb des Bildes liegen kann“, sagt er. Dann sei das gemalte Bild eigentlich ein „Ausschnitt aus einem konkret erdachten Universum“. Das Bildmotiv setze sich vor dem geistigen Auge des Betrachters „auf der Wand als Hintergrund fort“ – in die Welt der Alltagsdinge hinein.
Jakob Bill und die Ausstellung in Würzburg
Das Würzburger Museum im Kulturspeicher zeigt unter dem Titel „Das Glück der Farbe“ 89 Werke von Jakob Bill (wir berichteten). Die Ausstellung zeigt einen Querschnitt durch das Schaffen des Schweizers von frühen Bildern aus den 1950er Jahren bis zu aktuellen Arbeiten.
Der Besucher kann die Entwicklung des Autodidakten nachvollziehen ebenso wie Jakob Bills spezifischen Beitrag zur Entwicklung der Konkreten Kunst: Er führte farbige Verläufe ein, nuancierte, wo Klassiker noch mit gleichmäßigen Farbflächen arbeiteten.
Öffnungszeiten: Dienstag 13-18, Mittwoch und Freitag bis Sonntag 11-18, Donnerstag 11-19 Uhr. Bis 24. November.
Angeregt durch den Vater setzte sich der 1942 in Zürich geborene Jakob Bill (im Bild rechts) früh mit Konkreter Kunst auseinander. 1957, also mit 15 Jahren, stellte er bereits in Zürich aus. Geld verdienen musste Bill mit seiner Kunst nicht. Nach Studium der Klassischen Archäologie und Kunstgeschichte und Promotion war er bis 2011 als Prähistoriker tätig, zuletzt als Kantonsarchäologe von Luzern. Jakob Bills Sohn David, geboren 1976, führt mit Konkreten Skulpturen die Familientradition fort.
Max Bill war nicht nur Vertreter und Vordenker der Konkreten Kunst. Er war auch als Architekt und Designer tätig. Die von ihm in den 1950er Jahren entworfene Junghans-Küchenuhr ist ein Design-Klassiker. Text: hele