Da können die Beckmesser noch so sehr zetern: Der deutsche Schlager gehört zum Kulturbetrieb. Keiner zeigt das reiner als Dieter Thomas Kuhn, früher gerne auch „singende Föhnwelle“ genannt und mittlerweile Objekt der Begierde von Jung und Alt. Mit grellbunten Kostümen und riesigen Sonnenbrillen legen sie los, die 1000 Fans in der Würzburger Posthalle, kennen jeden Text der 30 Lieder in 130 Minuten ohne Pause. Sie brüllen und grölen mit, tanzen, trinken Bier oder Sekt und machen Party, dass die Schwarte kracht.
Glitzerfrack und grünes Hemd
Wenn der Tübinger mal eine kleine Pause einlegt, singen sie „Dieter, Dieter Thomas Kuhn“ nach der Sierra-Madre-Melodie, bis er wieder erscheint in seinem weiß-lila Glitzerfrack zum grünen Hemd. Wenn seine siebenköpfige Band, die vor allem bei den schnellen Nummern einen recht rauen Sound pflegt, mal Luft holen will, fängt Kuhn an zu plaudern, macht ein paar Witzchen und Mätzchen. Dann holt er sich ein paar Mädchen aus dem Publikum, und wieder geht es ab wie die Feuerwehr.
Höllentempo und Feuerzauber
Mit seinem „Schlager-Material“ geht er nicht zimperlich um. „Anita“, „Aber bitte mit Sahne“, oder „Fiesta Mexicana“ preschen in einem Höllentempo daher. Dazu zischt und kracht ein Feuerzauber. Lieder wie „Und es war Sommer“ oder „Über sieben Brücken musst Du gehen“ dehnt er dagegen zu bunten Lichter-Reigen so, dass einem der Schmalz aus den Ohren tröpfelt.
Von Peter Alexanders „Kleiner Kneipe“ geht es weiter zum dereinst von Roy Black mit der kleinen Anita gesungenen „Schön ist es auf der Welt zu sein“, zu einer zehnminütigen Fassung von Udo Jürgens' „Liebe ohne Leiden“, zu Howard Carpendales „Fremde oder Freunde“, schließlich zur letzten von sechs Zugaben, dem Schmachtfetzen aller Schmachtfetzen – Michael Holms „Tränen lügen nicht“. Als Kuhn nicht ohne ein gewisses Augenzwinkern seine Band vorstellt, verspricht er unter großem Jubel: „Wir spielen auch in 30 Jahren noch!“ Dann ist er mickrige 77.