
Helge Schneider sitzt allein in der Bar des Berliner „Café Einstein“. Er trägt ein Hemd mit Längsstreifen, einen Dreitagebart und seine Klampfe. Schneider trinkt Tee, den ihm ausnahmsweise einmal nicht sein Teekoch Bodo serviert hat, und möchte über sein Bühnencomeback sprechen, das ihn am 12. Februar nach Würzburg (Congress Centrum) und am 16. November nach Nürnberg (Meistersingerhalle) führt. Auch ansonsten ist er sehr auskunftsfreudig.
Helge Schneider: Nee, das hatte damit nichts zu tun. Ich fand es schön, einmal keinen Druck zu haben und private Dinge zu erledigen. Und wenn es nur aufräumen ist. Der Film hat mich nochmals dazu motiviert, das weiterzuführen, was ich da eigentlich angefangen habe.
Schneider: Ich wollte erst solo auf Tournee gehen, aber wenn ich jetzt im Kino sehe, wie das Publikum das annimmt, was ich mir da ausdenke, dann ziehe ich eine Band-Tournee vor. Da muss ab und zu mal Musik sein, es muss getanzt werden, ich muss die Freiheit haben, vorne herumzulaufen und Quatsch zu machen.
Schneider: Mich interessiert, was auf der Bühne ist. Das ist für mich privat genug. Also zu zeigen, wie das alles zustande kommt. Und das macht der Film ganz gut. Auch wenn es nur ein Live-Auftritt ist, zeigt er deutlich das Improvisieren und auch das, was hinter diesem Typen steckt, der auf der Bühne hin und her geht. Ich seh‘ den nämlich in der dritten Person.
Schneider: Wenn der Bühnenauftritt vorbei ist, weiß man nicht mehr, was man da gerade gemacht hat. Also wirklich nur noch punktuell. Ich fand richtig spannend, jetzt mal wieder zu sehen, wo das herkommt, was er da gerade erfindet. So kriege ich einen anderen Bezug dazu. Deshalb rede ich über mich auch in der dritten Person. Zu meinem Beruf gehört ja, sich selber immer wieder zur Schau zu stellen, das finde ich eigentlich scheiße. Ich find‘ gut, solche Typen zu sehen, aber dass ich das selber bin, finde ich manchmal blöd.
Schneider: Das kostet Überwindung! Von sich immer diese Plakate zu machen, von sich Interviews zuzulassen – das klingt so sehr nach Egomanen. Dabei bin ich gar nicht egozentrisch, im Gegenteil, ich guck' mir gerne Leute an und möchte gar nicht die Aufmerksamkeit auf mich ziehen. Aber wenn man mich dann erkennt, bin ich auch nicht beunruhigt. In Spanien, wo ich zeitweise wohne, ist das nicht so. Da fühle ich mich auch wohl. Da werde ich an die Zeiten erinnert, in denen ich noch nicht berühmt war. Und das hält jung.
Schneider: Das gehört ja zu meinem Leben dazu! Aber ich habe genug Erfahrung und bin erwachsen genug, um auch mal nicht gern auf der Bühne zu sein. Ich lasse mich auch gerne mal hängen, ich bin nicht der Bühnenfreak, ich schreib‘ ja auch Bücher oder male Bilder.
Schneider: Amundsen und Charlie Parker haben für mich unheimlich viel gemeinsam. Bei Amundsen gibt es dieses Mysteriöse, dieses Verschwinden und dieses Großdenken. Und trotzdem diese Selbstaufgabe für das, was er da machte. Genau wie bei Charlie Parker. Diese Malerei, die aus seinem Saxofon kommt, seinem Herzen entspringt. Nur: Charlie Parker ist mir wesentlich sympathischer. Der Jazzmusiker ist der viel größere Philosoph mit einer unglaublichen Menschlichkeit. Er kann aus dem Nichts etwas zaubern. Das ist etwas, was die Menschen sich noch aus der Steinzeit bewahrt haben.
Schneider: Forscher ist ein guter Begriff. Wissenschaftler wäre verkehrt, das klingt piefig.
Schneider: Dass man nicht Altmeister sein möchte und immer weiter forschen will. Vor allen Dingen habe ich herausgefunden, dass die einfachsten Sachen die sind, die bewegen. Sie können nicht durch komplizierte Formen hergestellt werden, sie passieren. Und das bleibt: das einfache Wort, der einfache Ton. Und das, was man mit ganz viel Arbeit und Heraufbeschwörerei fertigstellt, bleibt nicht immer.
Schneider: Nee, überhaupt nicht sentimental. Ich sehe nur, das gibt einem auch was. Psychedelia hat man jahrzehntelang vernachlässigt, Pink Floyd, Popul Vuh oder Kraftwerk. Unser Stück „Nachtigall Hu“ ist eine Karikatur. Es ist eines meiner Lieblingsstücke, weil man damit alles machen kann. Und es ist auch lustig.
Schneider: Eigentlich wie immer, aber gelassener. Das liegt nicht am Alter, sondern an den Erfahrungen, die man so gemacht hat. Ich frag‘ mich immer, wie das wohl ist, wenn man so ganz alt ist. Ich bin ja noch nicht alt. Aber für manche Leute bin ich schon ein älterer Herr. Zum Beispiel für die Straßenbahngesellschaft. Wenn ich will, kann ich in der 2. Klasse für monatlich 149 Euro den ganzen Tag durchs Ruhrgebiet fahren. Vielleicht mach' ich das mal. Aber die Zeit bis zur nächsten Tour nutze ich lieber, um mich auszuruhen. Um Schwimmen zu gehen. Ich halte damit die Kinder fit.
Schneider: Ich? Weiß ich nicht. Ich habe mir nicht vorgenommen, etwas anders zu machen. Das sehe ich nicht ein. Das kann man vielleicht mit 100 machen. Ich bin niemand, der sagt „Das hätte ich lieber anders gemacht“. Ich akzeptier das Leben, wie es ist und mache weiter. Dazu lebe ich zu gerne.
Schneider: Ja, fürs Leben. Schönwetter. Wenn man diese Einstellung nicht hätte, dann bräuchte man nicht zu leben. Es gibt ja Leute, die sich zum Beispiel umbringen. Die denken das vielleicht einen Moment lang, und dann bringen sie sich um. Einen Moment später hätten sie vielleicht anders gedacht.
Schneider: Ja. Ich sehe auch keinen Grund, es nicht zu sein. Ich bin Optimist im wahrsten Sinne des Wortes. Das ist ja kein Hans-guck-in-die-Luft, der vor Lustigkeit einfach vor die Straßenbahn läuft. Ein Optimist ist jemand, der das Optimum sieht. Das kann natürlich auch extrem beeinflusst werden durch Schlechtigkeit, trotzdem kann man Optimist sein. Das ist ja das Verrückte am Leben.
Schneider: Die Welt kommt mir fast schon vor wie ein Film. Vielleicht ist das ja sogar ein Film. Und dann kommt man aber wieder in so eine Ecke, wo ich überhaupt nicht hin will: in die Ecke der Cineasten. Der Leute, die Film als die Realität sehen. Ich bin genau das Gegenteil. Ich weiß: Film ist Film. Und das Leben ist nicht die Realität. Das Leben ist Wirklichkeit. Das ist ein Unterschied.
Schneider: Die muss man zwangsläufig haben, wenn man Geschichten erfindet und improvisiert, und diese Geschichten basieren auf der Realität und auf der Wirklichkeit. Dann kommt man zwangsläufig in die Situation, dass man versucht, Philosophen zu verstehen. Dass man aber auch über Philosophen lachen kann, die sich sonst ziemlich spröde geben.
Schneider: Gelesen nicht, aber sie tauchen als Personen manchmal im öffentlichen Geschehen auf. Peter Sloterdijk zum Beispiel. Alexander Kluge ist für mich auch ein Mann mit philosophischem Hintergrund. Wir sind gute Freunde. Ich befasse mich damit, ich könnte aber nicht so denken. Aber ich befasse mich auch mit Rennrädern, auch das ist Philosophie. Philosophie ist eigentlich etwas ganz Normales.
Schneider: „Guten Tach!“, „Wie geht?s?“, „Ein Pils!“, „Zahlen!“