Fernsehen, Werbeplakate, Fotos: Wir sind von Bildern umgeben. Das hat uns abgestumpft. Selten nur nehmen wir Bilder bewusst wahr. Im Museum für Franken lässt eine Leihgabe nun ahnen, dass es eine Zeit gab, als Bilder Staunen hervorriefen: Der Kiliansaltar aus dem Historischen Museum Basel wird in einer der Nischen vor dem Riemenschneider-Saal präsentiert.
An Festtagen öffneten sich die Flügel
Altäre waren Teil des Gesamtkunstwerks "Kirche", das in jenen Zeiten die Gläubigen überwältigen und quasi einen Einblick in die jenseitige Herrlichkeit bieten sollte. Dank der beweglichen Seitenteile übten Flügelaltäre eine besondere Faszination aus: An Werktagen waren die Flügel geschlossen. Sie zeigten auf ihren Außenseiten zwar auch Bilder. Die waren aber vergleichsweise einfach gestaltet.
An Festagen wurden die Flügel geöffnet. Es waren Höhepunkte im Kirchenjahr und auch im Leben der Gläubigen. Im Inneren des Altarschreins kamen dann dreidimensionale Figuren zum Vorschein und erzählten auf ihre Weise Geschichten von Heiligen. Goldhintergrund glänzte, reiche Verzierungen fesselten das Auge. Für die noch nicht von Bilderüberflutung abgestumpften Menschen jener Zeit muss das überwältigend gewesen sein.
Wer versucht, heute den Kiliansaltar mit den Augen des Mittelalters zu sehen, kann das durchaus nachvollziehen. Dass die Fassung – also Farben oder Vergoldungen – noch original ist, erleichtert der Fantasie den Sprung in die Spätgotik.
Wo sich Kilian versteckt
Der in den 1470er Jahren entstandene Altar zeigt wenn er geschlossen ist, also auf den Außenseiten der Flügel, die "Frankenapostel" Kolonat und Totnan. Werden die Flügel geöffnet, sieht man Im Zentrum des Schreins die Figur des heiligen Kilian. Flankiert wird er rechts vom heiligen Burkard, dem ersten Würzburger Bischof. Links von Kilian ist der heilige Hieronymus samt seinem Symbol, einem Löwen, platziert. Auf den Flügelinnenseiten sind Christophorus mit dem Jesusknaben und die heilige Dorothea dargestellt.
Kilian, Kolonat und Totnan brachten, der Legende nach, das Christentum nach Franken. Sie sind die Hauptheiligen des Bistums Würzburg. Dass die "Frankenapostel" derart prominent auf dem Altar dargestellt wurden, legt für Museumsleiterin Claudia Lichte nahe, dass das Kunstwerk "etwas mit dem Bistum Würzburg zu tun hat".
Der Kiliansaltar war 1886 im süddeutschen Kunsthandel für die "Mittelalterliche Sammlung" in Basel erworben worden. Er war bis vor kurzem in der Schweizerischen Stadt ausgestellt. Weil sich das dortige Museum neu ausrichtet, war der Altar vorübergehend zu haben – und ist nun in der Landschaft seiner Entstehung zu sehen, gedacht ist an zwei bis drei Jahre.
Nun bietet sich auch die Chance, nach dem ursprünglichen Aufstellungsort zu suchen sowie nach Beziehungen zu anderen Bildern und Skulpturen in der Region zu forschen.
Riemenschneider brach mit der Tradition
Wer genau hinsieht, erkennt am unteren Teil des Altars kleine Nagellöcher. Womöglich wurden da einst Zettel mit Fürbitten, Wünschen oder Klagen angeheftet. Mit den Augen des Mittelalters betrachtet zeigt das, wie konkret, wie real die Verbindung zwischen dem Altar, den Heiligen und letztlich Gott gesehen wurde.
Mit den Augen des Mittelalters betrachtet, zeigt die Leihgabe in der Festung Marienberg auch, dass man eine Generation vor Tilman Riemenschneider Altarfiguren üblicherweise farbig gestaltete. Riemenschneider (1460 bis 1531) brach immer wieder mit dieser Tradition und setzte auf die Schönheit des blanken Holzes – das zeigt auch ein Blick in den Saal nebenan.
Öffnungszeiten des Museums für Franken: Dienstag bis Sonntag 10–16 Uhr, ab April bis Oktober 10–17 Uhr.