Einst war er der „Schmierfink“, der „Politpornograf“, für manche sogar ein „Linksfaschist“. CDU-Politiker, darunter ein späterer Bundestagspräsident, rissen bei einer Ausstellung in Bonn seine Plakate von den Wänden. In der „Berliner Republik“ gehört ausgerechnet dieser Klaus Staeck, der am heutigen Donnerstag, 28. Februar, 75 Jahre alt wird, zum Establishment. Als Präsident der Berliner Akademie der Künste hat er seit 2006 eines der repräsentativsten Ämter im deutschen Kulturbetrieb – und ist sich doch ziemlich treu geblieben.
„Wenn ich mir ansehe, was oft sonst noch als links bezeichnet wird, zucke ich gelegentlich zusammen“, sagt der Heidelberger Plakatkünstler von sich. Als letzten Mohikaner unter den deutschen Linksintellektuellen sieht er sich nicht, „aber als Einzelkämpfer“, mit großer Lust an gesellschaftlichen Debatten. „Wir haben uns alle miteinander das Politische abtrainiert beziehungsweise abtrainieren lassen“, bemerkte er mit Bedauern, als er im vergangenen Jahr das umstrittene Israel-Gedicht von Literaturnobelpreisträger Günter Grass verteidigte. „Das Schlimmste, was der Demokratie passieren kann, ist, wenn sie an Langeweile stirbt, und manchmal hat man den Eindruck.“
Das Dilemma seiner Arbeit
Von seinem Schreibtisch aus hat er alles im Blick: das Hotel „Adlon“ rechts, geradeaus das Kanzleramt, den Reichstag, das Brandenburger Tor. Gleich daneben stand einst das Wohnhaus des von den Nazis verfemten Malers Max Liebermann, der einer seiner Vorgänger als Präsident der Kunstakademie war. Für Staeck ist das fast wie eine ständige Mahnung. „Alle meine Professoren waren schlimme Nazis“, sagt er. Es sei absurd, dass erst jetzt die Ministerien anfingen, ihre NS-Vergangenheit aufzuarbeiten: „Die Republik ruht fest auf braunem Grund.“ Als bekennender Sozialdemokrat war der angehende Rechtsanwalt in den 60er Jahren ein Exot. Seine juristischen Kenntnisse konnte Staeck aber auch als Künstler gut gebrauchen: Immer wieder, insgesamt 40 Mal, sollte eines seiner kritisch-satirischen Plakate verboten werden – ohne dass es jemals dazu kam. Mehr als 300 sind bislang entstanden. Das wohl bekannteste zeigt einen Millionärs-Bungalow. Darüber steht: „Deutsche Arbeiter! Die SPD will euch eure Villen im Tessin wegnehmen“.
Das Dilemma seiner Arbeit sei, sagt Staeck, dass sie nicht veralte: „Manche meiner Plakate sind heute aktueller als zu ihrer Entstehungszeit.“ An manchen habe er drei oder gar vier Jahre gesessen. „Dabei sehen sie so aus, als ob sie über Nacht entstanden.“ Früh bekam es Staeck auch mit dem Verfassungsschutz zu tun. Zwei Jahre nach dem Mauerbau organisierte er einen Studentenaustausch zwischen den Universitäten von Heidelberg und Leipzig. Anders als viele seiner Altersgenossen hatte Staeck aber nie Ambitionen, sich „auf den langen Marsch zu Mao Tse-tung“ zu machen, wie er sagt. Er habe grundsätzlich etwas gegen Fundamentalismus: „Ich war auch nie ein richtiger Revolutionär.“
Immun gegenüber der kommunistischen Ideologie machte ihn seine Herkunft aus der DDR. 1938 im sächsischen Pulsnitz geboren und aufgewachsen in der Industriestadt Bitterfeld, flüchtete er 1956 unmittelbar nach dem Abitur in den Westen. Vieles in seinem Denken und Verhalten folge aus dieser Erfahrung, ist Staeck überzeugt: „Einmal Flüchtling, immer Flüchtling.“ In seinem Amt als Präsident der lange zwischen Ost- und Westmitgliedern zerstrittenen Akademie war es dann aber genau diese Herkunft, die ihn als Vermittler glaubwürdig machte.
Bedingungen zum Amtsantritt
Dass Jahre nach der förmlichen Vereinigung von Ost- und West-Berliner Akademie das Haus wieder die Rolle spiele, die es verdient, führt Staeck darauf zurück, dass die Mitglieder „die Mühsal der Auseinandersetzung“ nicht scheuten: „Das gab es sonst nach dem Mauerfall in der deutschen Gesellschaft kaum.“
Bei seinem Amtsantritt als Akademiepräsident stellte er drei Bedingungen, erzählt Staeck: Nachsicht für seine schlechten Englischkenntnisse, eine Bahncard und „Respekt für meine Entscheidung, der ,Bild'-Zeitung nie ein Interview zu geben, auch wenn sie sich rächen sollte“.
Für Deutschlands größtes Blatt war Staeck bis heute nie zu sprechen: Die „Bild“-Zeitung sei ein Medium, das das „Bedürfnis der Menschen nach Niedertracht im Übermaß befriedigt“, urteilt er. Und fügt dann noch hinzu: „Das eigentliche Problem ist nicht die ,Bild'-Zeitung, sondern dass sie zum Leitmedium für fast alle Redaktionen geworden ist.“
Treu will sich Staeck auch in den nächsten Monaten bleiben: „Wenn man mich wieder fragt, werde ich meine Stimme nicht verleugnen“, bietet er sich der SPD wieder als Wahlkämpfer an. Auch ein Vortrags-Millionär als Kanzlerkandidat schreckt ihn dabei nicht: „Am Ende wird immer die Partei gewählt, nicht die Person.“