Die Scorpions sind weltweit die gefragteste deutsche Rockband. Nach über 100 Millionen verkauften Platten blicken sie mit dem Album „Born To Touch Your Feelings – Best Of Rock Ballads“ zurück auf eine 50-jährige Karriere. Am 3. August sind die Rocker um Sänger Klaus Meine, der dann 70 Jahre alt sein wird, im Bad Kissinger Luitpoldpark.
Frage: Ist es wahr, dass Ihre einstige Vorband Bon Jovi sich auf Geheiß ihres Managers jeden Ihrer Auftritte ansehen musste, um von Ihnen zu lernen?
Klaus Meine: Wir hatten Bon Jovi gepickt auf der 1984er-Tour. Sie waren mit uns sechs Monate unterwegs. Wir mochten die Band, sie hatte damals mit „Runaway“ einen kleinen Radio-Hit. Wir hatten mehrere Bands zur Auswahl, Bon Jovi fanden wir cool und sie lernten sehr schnell. Ihr damaliger Manager Doc McGhee, der später auch unser Manager wurde, riet ihnen, sich jeden Abend die Scorpions anzusehen. Er sagte: „So machen es die Großen.“ Uns ging es ähnlich; wir standen anfangs auch als Opening Act mit AC/DC oder Ted Nugent auf der Bühne. In den 30 Minuten, die dir zur Verfügung stehen, spielst du um dein Leben. Ein paar Jahre später waren wir selbst Headliner mit Vorbands wie Metallica, Def Leppard und Iron Maiden.
Kirk Hammett von Metallica bezeichnet den Scorpions-Titel „The Sails of Charon“ als einen der fünf Songs, die sein Leben veränderten. Wo hören Sie Ihren Einfluss?
Meine: Ich weiß, dass er ein großer Fan von allen unseren Gitarristen ist: von Michael Schenker über Rudolf Schenker und Matthias Jabs bis hin – und ganz besonders – zu Uli Jon Roth. Wir treffen uns unterwegs hin und wieder. Wenn Metallica in Deutschland sind, gehen wir zu ihnen und umgekehrt. Bei Metallica ist das mehr eine Geschichte, die über die Gitarren abgeht. Als amerikanische Band sahen sie in uns etwas, was sie nicht hatten, weil wir mehr mit klassischer Musik groß geworden sind. Metallica hingegen kommen vom Blues. Van Halen erzählten uns, dass sie in den Clubs in Hollywood mit unseren frühen Songs wie „Catch your Train“
und „Speedy's coming“ ihre Karriere starteten. So wie wir anfangs von den Beatles, Stones und The Who begeistert waren. Bon Jovi sagten nach dem Moscow Peace Festival: „Wir haben nur einmal nach den Scorpions gespielt. Das machen wie nie wieder.“
In einem US-Metal-Magazin war kürzlich zu lesen: „Klaus hat bei Weitem die beste und markanteste Stimme von allen Hard-Rock-Bands der 80er Jahre.“
Meine: Letztes Jahr spielten wir in Las Vegas fünf Shows im Hardrock Hotel. Bei der Gelegenheit bekamen wir von einem großen Musikmagazin einen Preis überreicht in Gegenwart vieler Musiker. Jeder, der an dem Abend einen Award erhielt, erwähnte die Scorpions und mich als Sänger als Inspiration. Es hat uns selbst überrascht, wie breit das gefächert war. Selbst die ganz harten Kerle nannten uns als Einfluss.
Die Stadt Los Angeles hat den 6. Oktober zum „Scorpions Day“ – also zum „Tag der Scorpions“ ernannt. Warum?
Meine: Es ist eine schöne Ehrung, die die Stadt Los Angeles uns hat zukommen lassen. Sie zeigt unsere ganz besondere Verbundenheit mit Kalifornien. Als ich an dem Text für „Melrose Avenue“ schrieb, musste ich nicht lange überlegen. Das ist ein Gute-Laune-California-Song, mit dem wir uns bei den Fans für viele tolle Konzerte bedanken wollen.
„Wind of Change“ ist in den USA momentan wieder sehr populär. Hat der Song für Amerikaner eine neue Bedeutung bekommen?
Meine: Wir werden in Amerika viel mehr als Hardrock- und Heavy-Metal-Band wahrgenommen. Deshalb hatten wir „Wind of Change“ dort zeitweise gar nicht im Set. Die Emotionen, die „Wind of Change“ in Russland auslöst, sind verbunden mit dem Ende des Kalten Krieges. Für einen Amerikaner ist die Moskva aber sehr weit weg. Als wir ihn jetzt gespielt haben, haben sie den Song als Friedenshymne mit der Hoffnung auf einen Wandel empfunden.
Lassen Sie sich von Donald Trump Ihre Liebe zu Amerika verderben?
Meine: Absolut nicht, wir haben großartige Fans in Amerika und hatten dort gerade eine tolle Tour. Aber es war gleichzeitig auch eine schwierige Zeit. Zwei Tage nach dem Attentat in Las Vegas traten wir in Nevada auf. Und über Florida und Texas waren am Anfang der Tour schwere Stürme hinweggefegt. Wir konnten nicht einfach „Rock you like a Hurricane“ spielen und diese Naturkatastrophe ignorieren. Das waren emotionale Momente. Wir haben uns dann entschlossen, den Song trotzdem zu performen und zu Spenden für die Opfer aufzurufen.
Der Klassiker „Rock you like a Hurricane“ ist übrigens in der angesagten Netflix-Serie „Stranger Things“ zu hören.
Sie feiern am 25. Mai Ihren 70. Geburtstag. Wie altert man im Rock 'n' Roll in Würde?
Meine: So lange wie ich auf Tour bin, ist das Alter für mich überhaupt kein Thema. Wir spielen mittlerweile für drei Generationen von Publikum. In Amerika ist der Altersdurchschnitt etwas höher, das liegt an den Fans aus den 1980er Jahren, die mit uns zusammen älter werden. Im Rest der Welt ist ein unglaublich junges Publikum dazugekommen. Das hält uns jung. Wir werden natürlich älter und spüren das hin und wieder auch. Ich glaube, junge Menschen finden es attraktiv, eine Band zu sehen, die sowohl bretthart rockt als auch Songs spielt, bei denen es um Emotionen geht und die mitten ins Herz treffen. Das ist der Spirit, der uns am Laufen hält.