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Klaus Maria Brandauer: Seine schönste Rolle
Liebe und Alzheimer: Der Schauspieler über sein TV-Drama und sein Credo – Lesung beim Kissinger Sommer
Das Gespräch führte Martin Weber
 |  aktualisiert: 06.05.2013 15:49 Uhr

Er gilt als einer der wichtigsten deutschsprachigen Schauspieler unserer Zeit und als einer der wenigen, die man auch in Hollywood kennt: Klaus Maria Brandauer. Der Österreicher, der am 22. Juni 70. Geburtstag feiert, glänzt seit Jahrzehnten auf der Bühne, im Kino und im Fernsehen. Er spielte den Hamlet am Burgtheater in Wien und den Wallenstein am Berliner Ensemble, die Hauptrolle in István Szabós preisgekröntem Kinofilm „Mephisto“ und an der Seite von Meryl Streep und Robert Redford in Sydney Pollacks mit sieben Oscars ausgezeichnetem „Jenseits von Afrika“. Brandauer war dafür als bester Nebendarsteller nominiert, musste sich aber Don Ameche geschlagen geben. Im 007-Streifen „Sag niemals nie“ mit Sean Connery war Brandauer Bond-Bösewicht. Auch als Regisseur machte er sich einen Namen. Brandauer inszenierte unter anderem in Berlin „Die Dreigroschenoper“ und in Köln Richard Wagners „Lohengrin“. In Nikolaus Leytners bewegendem TV-Drama „Die Auslöschung“ (Mittwoch, 8. Mai., 20.15 Uhr, ARD) spielt der Star, der am 12. Juni beim Kissinger Sommer liest, auf beklemmende Weise einen geistig zerfallenden Kunsthistoriker, der an Alzheimer erkrankt, Martina Gedeck ist als seine Lebensgefährtin zu sehen. Klaus Maria Brandauer war bis zu deren Tod 1992 mit der Regisseurin Karin Brandauer verheiratet und hat aus dieser Ehe einen Sohn. 2007 heiratete er die Theaterwissenschaftlerin Natalie Krenn. Er lebt in Altaussee in der Steiermark, in Wien und New York.

Frage: Man sieht Sie relativ selten im Fernsehen. Warum ist das so?

Klaus Maria Brandauer: Das hat keinen bestimmten Grund. Ich mache Dinge, die mir Freude machen, und wenn ein gutes Drehbuch da ist und ich zu diesem Thema etwas zu sagen habe, dann mache ich einen Film. Sonst eben nicht. Ich möchte nicht meine Zeit verschwenden, und wenn, dann lieber richtig faulenzen (lacht).

Die meisten Drehbücher lehnen Sie also ab?

Brandauer: Sicher, aber das sagt noch nichts über die Qualität der Drehbücher aus, da können durchaus welche drunter sein, die ganz ausgezeichnet sind. Ich sage zu, wenn der Stoff etwas mit mir zu tun hat und ich meine eigene Lebensqualität durch die Beschäftigung mit der Geschichte verbessere – und im optimalen Fall die der Zuschauer auch.

Was hat Sie am Film „Die Auslöschung“ gereizt?

Brandauer: Die Liebesgeschichte, die sich zwischen dieser Figur und Judith entspinnt, die von Martina Gedeck gespielt wird. Liebesgeschichten interessieren mich besonders – entweder, weil sie gut ausgehen, oder weil sie nicht gut ausgehen, das spielt keine Rolle. Was kann einem schon etwas in die Jahre gekommenen Menschen wie diesem Witwer Ernst denn Schöneres passieren, als dass er sich nochmals verknallt oder sogar verliebt, wie sich dann herausstellt? Seine erwachsenen Kinder akzeptieren das, und es schaut nicht schlecht aus. Doch dann passiert das, womit ein Mensch auf seinem Weg von der Geburt zum Tod immer rechnen muss: Es ereilt ihn ein Schicksalsschlag, Ernst bekommt Alzheimer.

Das macht sich zuerst in Form von Erinnerungslücken bemerkbar. Hatten Sie auch schon Gedächtnisprobleme?

Brandauer: Ich habe schon seit Jahrzehnten Gedächtnisprobleme. Manchmal merke ich mir einfach irgendwas nicht, und da habe ich mir schon oft gedacht: Was ist denn mit mir los, was wird denn aus mir werden? Aber das ist im Lauf der Jahre nicht schlimmer geworden, hat sich zum Glück bis jetzt nicht verändert. Nicht jede Erinnerungslücke führt zwangsläufig zu einer Krankheit.

Ernst denkt an Suizid, als er die Diagnose bekommt. Wäre das ein Ausweg, mit dem Sie sich in so einer Situation auch beschäftigen würden?

Brandauer: Das ist ein Thema, mit dem ich mich möglicherweise mit mir beschäftigen würde und das ich vielleicht noch mit einem Freund oder mit meiner Frau besprechen würde. Und sonst mit niemandem, schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Das ist meine Privatangelegenheit.

Der Film stellt auch die Frage, was einen Menschen ausmacht. Was ist, wenn ein Mensch seine Erinnerung verloren hat und sein Bewusstsein praktisch ausgelöscht ist?

Brandauer: Das ist selbstverständlich immer noch ein Mensch. Ich gebe allerdings zu, dass man sich Gedanken darüber macht, was die Wissenschaft und die Medizin dazu sagen. Bei dieser Krankheit gibt es etwas, das als Gnadenpforte bezeichnet wird: Das ist der Moment, von dem man annimmt, dass ein Betroffener nicht einmal mehr weiß, dass er sich nicht mehr erinnern kann. Was sich wirklich in so einem Menschen abspielt, vermag ich aber beim besten Willen nicht zu sagen und glaube da auch niemandem so recht – auch der Wissenschaft nicht. Ich glaube, dass ein Mensch, solange er atmet, ein Mensch ist und mit unserer Hilfe sein weiteres Leben in Würde verbringen kann.

Welche Aussage hat der Film?

Brandauer: Genau genommen feiert der Film das Leben. Der Vorschlag, den wir, die wir den Film gemacht haben, den Zuschauern unterbreiten, lautet: Das Leben ist lebenswert, es ist schön, und natürlich kann unheimlich viel passieren, eben auch Schreckliches. Aber vergessen Sie nicht: Die Liebe, die Ernst und Judith erleben, macht ihr Leben lebenswert. Die Liebesgeschichte steht im Zentrum. Lieben heißt, für einen Menschen auf der Welt zu sein. Nicht mehr und nicht weniger.

Wie spielt man einen Menschen, der geistig zerfällt?

Brandauer: Meine Aufgabe ist es, dass ich aufgrund meiner Fantasie, meiner Bildung und meiner Überlegung im Zusammenhang mit der Figur und dem Sujet versuche, menschlichen Empfindungen nachzugehen – und so im optimalen Fall einen lebendigen Menschen hinkriege. Sie können im Film nichts spielen, Sie müssen behaupten: Das bin ich. Wenn Sie den Napoleon spielen und schauen nicht so aus, dann muss man Ihnen den Napoleon trotzdem glauben, sonst kann man es vergessen. Mein Ehrgeiz gerade beim Fernsehen ist, dass ich mit meiner Figur bei den Leuten im Wohnzimmer sein möchte – und hoffe, dass sie mir meinen Zustand, mein Glück, meine Liebe, mein Unglück glauben.

Was war denn Ihre schönste Rolle?

Brandauer: Da sage ich ganz spontan: Hamlet. Den habe ich in den Achtzigern am Burgtheater in Wien gespielt, und das war für mich die Erfüllung eines Traums. Das erste Reclam-Heft, das ich als Kind auf dem Dachboden meiner Großeltern in die Hände bekam, war „Hamlet“. Ich habe damals zwar diese Verse nicht so richtig verstanden, aber sie haben mich schon sehr beeindruckt. Die zentralen Fragen, wer wir sind, woher wir kommen und wohin wir gehen, haben mich schon damals fasziniert. Man muss einen eigenen Zugang zu dieser Figur finden. Mein Zugang war, als ich ihn spielte, dass Hamlet lieber Schauspieler geworden wäre als Prinz von Dänemark.

Sie werden dieses Jahr 70. Hat das Altwerden auch Vorteile?

Brandauer: Überhaupt nicht. Außer, dass man eine Seniorenkarte bekommt und sonst noch ein paar Vergünstigungen. Man bildet sich ein, dass man ein bisschen anständiger behandelt wird, weil man schon ein alter Sack ist, aber das ist eine Täuschung. Ich versuche, mich mit vielen jungen Menschen zu umgeben, was in meinem Beruf auch der Fall ist, und das hält mich ein bisschen jung. Aber Vorteile hat das Altwerden wirklich nicht.

Am Mittwoch, 12. Juni (20 Uhr), liest Klaus Maria Brandauer beim Kissinger Sommer im Kurtheater aus Richard Wagners Essay „Eine Pilgerfahrt zu Beethoven“. Karten und Infos unter: Tel. (09 71) 8 07 - 11 10.

Als „Mephisto“ (1980)
| Als „Mephisto“ (1980)
Mit Martina Gedeck in „Die Auslöschung“
| Mit Martina Gedeck in „Die Auslöschung“
 
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