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WÜRZBURG/BAD KISSINGEN
Klaus Florian Vogt: Der fliegende Lohengrin
Er treibt viel Sport, um den Anforderungen seines Berufs gewachsen zu sein, und findet im Singen von Wagner-Opern Erfüllung. Ein Gespräch mit dem Startenor über Musik und den Hang zur Unabhängigkeit.
Es dürfte auch mal was Leichtes sein: Wagner-Tenor Klaus Florian Vogt hätte auch Lust auf Operette.
Foto: Tim Schober, Sony Classical/ Jörg Carstensen, dpa | Es dürfte auch mal was Leichtes sein: Wagner-Tenor Klaus Florian Vogt hätte auch Lust auf Operette.
Ralph Heringlehner
Ralph Heringlehner
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:01 Uhr

Es ist alles andere als üblich, dass ein Startenor bei seinen Engagements lieber im eigenen Wohnmobil übernachtet als im Hotel. Klaus Florian Vogt tut's trotzdem, wenn sich die Möglichkeit bietet. Gerne reist er auch mit seinem Flugzeug an und bewegt in seiner Freizeit ein schweres Motorrad. In diesem Jahr ist er zweimal in Unterfranken zu hören (siehe Kasten) und singt im Sommer den Parsifal bei den Bayreuther Richard-Wagner-Festspielen.

Frage: Flugzeug, Wohnmobil, Harley . . . für mich klingt das, als legten Sie viel Wert auf Unabhängigkeit.

Klaus Florian Vogt: So ist es. Auf Unabhängigkeit und Freiheit. Im Flugzeug zum Beispiel bin ich schon sehr eigenverantwortlich und frei unterwegs. Das ist wirklich toll. Wenn das Wetter passt, reise ich damit auch zu meinen Terminen an. Manchmal ist das allerdings ein Va-banque-Spiel: Dann kann es passieren, dass das Flugzeug auch mal eine Woche am Boden steht, weil ich wegen schlechten Wetters nicht zurückfliegen konnte.

Reisen Sie manchmal zu einem Termin mit einem unguten Gefühl, nach dem Motto: Was kommt da wohl wieder auf mich zu? Gerade bei Wagner, den Sie meistens singen, wird bei der Regie ja sehr viel experimentiert.

Vogt: Ja, manchmal habe ich im Vorfeld ein ungutes Gefühl, das gebe ich zu. Im Grunde genommen habe ich da aber bis jetzt – toi, toi, toi – immer viel Glück gehabt. Ich hatte bisher keine Schwierigkeiten, mich entweder mit Ideen anzufreunden oder vielleicht auch manche Dinge ein bisschen zu verändern, um selber besser damit klar zu kommen.

Es gibt also schon eine Grenze, wo Sie sagen, das mach' ich jetzt nicht mehr mit.

Vogt: Diese Grenze gibt es auf jeden Fall.

Und dann hören die Regisseure auf Sie. Schließlich sind sie ja nicht irgendwer . . .

Vogt (zieht hörbar die Luft ein): Das habe ich so noch nicht ausprobiert (lacht).

Der Kelch Jonathan Meese, der ursprünglich heuer in Bayreuth den „Parsifal“ inszenieren sollte, ist ja an Ihnen vorübergegangen . . .

Vogt (lachend): „Kelch“ haben jetzt Sie gesagt.

Jonathan Meese hat schon den Ruf, ziemlich radikal zu Werke zu gehen.

Vogt: Davor hatte ich keine Angst. Ich habe Entwürfe gesehen, die mir ganz gut gefallen haben, und ich habe Jonathan Meese auch persönlich kennengelernt.

Sie singen häufig den Lohengrin. Da müssen Sie im dritten Akt auch noch die große Gralserzählung „In fernem Land“ stemmen. Das ist doch auch eine körperliche Herausforderung. Treiben Sie Sport, um sich fit zu halten?

Vogt: Ja, ich mache viel Sport. Ich betreibe Kraftsport und tue auch immer etwas für meine Ausdauer: entweder Radfahren oder Laufen. Das ist mir sehr wichtig. Fünf oder sechs Stunden am Abend voll konzentriert zu sein, ist nicht einfach. Eine gute körperliche Konstitution hilft dabei. Aber so groß die physische und psychische Herausforderung einer solchen Partie wie Lohengrin ist: Es macht natürlich auch viel Spaß.

Was mögen Sie an Lohengrin?

Vogt: Ich mag an ihm, dass er sehr ehrlich ist und geradlinig. Er verkörpert Werte, für die er einsteht. Das fasziniert mich an ihm.

Er ist ja ein Ritter und steht somit für die klassischen Werte des Rittertums, wie sie aus dem Mittelalter überliefert sind. Da geht es um Ehre und irgendwie auch um Fairness.

Vogt: Genau, es geht auch um Fairness. Von Lohengrin geht keine Aggressivität aus. Aber wenn er, wie in den Szenen mit Telramund, angegriffen wird, wehrt er sich. Trotzdem ist Telramunds Tötung im dritten Akt aus meiner Sicht eigentlich ein Unfall. Lohengrin tut das unendlich leid, so empfinde ich es.

Wie wichtig ist Ihnen der schauspielerische Aspekt?

Vogt: Sehr wichtig. Ich versuche immer, auf der Bühne derjenige zu sein, den ich spiele. Ich glaube, es wäre für den Zuschauer langweilig, wenn ich mich nur hinstellen und versuchen würde, die Partie anständig zu singen. Oper ist auch eine darstellerische Herausforderung.

Gerade Wagner hat ja sehr stark von der Bühne und der Bühnenwirksamkeit her gedacht.

Vogt: Der Begriff des Gesamtkunstwerks spielt bei ihm eine sehr wichtige Rolle. Musik und Schauspiel sind fast gleichberechtigt zu sehen. Auch der Text ist bei ihm von großer Bedeutung. Deshalb ist es auch so erfüllend, Wagner zu singen.

In Würzburg singen Sie den ersten Akt der „Walküre“ – konzertant. Das ist nun wieder eine andere Herausforderung, denn da fällt der schauspielerische Aspekt weg.

Vogt: Das stimmt schon. Natürlich singt man nicht in einem Bühnenbild. Trotzdem empfinde ich in dem Moment, in dem ich auf dem Konzertpodium stehe, die Figur und die Geschehnisse der Handlung nach. Ich versuche immer, eine Partie mit dem gleichen Ausdruck darzustellen, wie auf der Opernbühne.

Das heißt: Auch mimisch und gestisch versuchen Sie, der Siegmund zu sein?

Vogt: Absolut. Ich werde in einer konzertanten Aufführung natürlich kein Schwert schwingen, aber in meinem Kopf spielt sich das Stück ab. Rein mental bin ich ganz in der Partie.

Sie werden vom Publikum und der Kritik regelmäßig gefeiert . . .

Vogt lacht

. . . ich hab' jedenfalls noch keine schlechte Kritik über Sie gelesen. Baut das Druck auf – weil die Erwartungen an Sie doch ziemlich hoch sind?

Vogt: Ja, die Erwartungen sind schon hoch. Aber ich versuche, mich davon frei zu machen. Ich konzentriere mich immer darauf, den jeweiligen Abend so gut wie möglich zu gestalten. Das macht mir nach wie vor unglaublich viel Freude. Und ich bin sehr, sehr dankbar, dass ich genau das machen darf. So lange das so ist, spielt dieser Druck für mich keine so große Rolle.

Sie haben früher auch anderes gesungen. Mozart etwa. Machen Sie das immer noch?

Vogt: Mozart singe ich leider weniger. Ich würde da gerne mehr machen – aber das ist schwierig. Wenn man als Wagnersänger gebucht wird, traut einem oft niemand mehr zu, dass man auch Mozart singen kann.

Andere große Wagnertenöre, früher etwa René Kollo oder Peter Hofmann, sind auch ins sogenannte leichte Fach gegangen, haben Operette oder Musical gesungen. Können Sie sich das auch mal vorstellen?

Vogt: Das kann ich mir absolut vorstellen. Und ich hätte auch große Lust dazu, muss ich gestehen. Es kommt natürlich immer drauf an, wie eine Operette inszeniert wird. Wenn es glaubwürdig, gut und authentisch gemacht wird – warum nicht?

Klaus Florian Vogt in Würzburg und Bad Kissingen

Seine Karriere startete der 1970 im holsteinischen Heide geborene Klaus Florian Vogt als Hornist im Staatsorchester Hamburg. Nebenher studierte er Gesang. Sein erstes Engagement als Tenor erhielt er am Landestheater Flensburg. Der Durchbruch gelang ihm 2002 als Lohengrin in Erfurt. Mit dieser Partie gastiert er seitdem weltweit. Vogt, der mit Frau und vier Söhnen in Schleswig-Holstein lebt, hat sein Repertoire mittlerweile auf alle wichtigen Wagner-Tenorpartien erweitert.

In Würzburg ist Klaus Florian Vogt bei der Wagner-Gala am 6. April im Congress Centrum zu Gast. Mit dabei sind Karen Leiber (Sopran) und Günther Groissböck (Bass). Es spielt das Philharmonische Orchester Würzburg unter Enrico Calesso. Vorverkauf im Mainfranken Theater, Tel. (09 31) 39 08-124

Beim Kissinger Sommer gibt es am 24. Juni Gustav Mahlers „Lied von der Erde“ mit Vogt und den Münchner Philharmonikern. Vorverkauf unter Tel. (09 71) 80 48 444

 
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