Der Legende nach war es „Hass auf den ersten Blick“, als der Geiger Aleksey Igudesman und der Pianist Hyung-ki Joo einander an der Yehudi Menuhin School in London kennengelernt haben. Da waren sie zwölf Jahre alt. Ein bisschen was vom pubertären Humor dieser Zeit haben sie sich bewahrt. Aber nur ein bisschen was.
Igudesman & Joo sind ein weltweit erfolgreiches Klassik-Comedy-Duo, das viele Formen von Komik drauf hat – vom Kalauer (gerne in der jeweiligen Landessprache) über die Slapstick-Einlage bis hin zur hochintelligenten musikalischen Maskerade. Am besten sind sie, wenn alles irgendwie gleichzeitig stattfindet. Wobei sie die Schraube beinahe unmerklich Richtung Wahnsinn drehen, in der diabolischen Absicht, den Zuschauer notfalls auch gegen seinen Willen zum Lachen zu bringen. Wenn's gelingt, grinsen sie.
Die Eröffnungsnummer beim Nachsommer-Auftritt im Schweinfurter Konferenzzentrum lebt vom Gegensatz zwischen der weihevollen Konzertsituation und vermeintlichem Fehlverhalten im Publikum: Vorne spielen sie die Violinsonate von César Franck, hinten hört einer einfach nicht auf zu blitzen. Da nicht einmal Todesdrohungen helfen, ergehen sich die Musiker in immer absurderen Verrenkungen und Grimassen, während sie das Stück – akustisch jedenfalls – vorschriftsmäßig zu Ende bringen. A propos vorschriftsmäßig: „Ist das ihr Fahrzeug?“, fragt Musikpolizist Igudesman und deutet auf den Flügel. Joo wird sofort zum grundlos schuldbewussten Verkehrsteilnehmer und lässt sich zu einem atemberaubenden Parforceritt durch die Klavierliteratur nötigen, um zu beweisen, dass er nichts getrunken hat.
Selbst da bringen sie noch einen kundigen Seitenhieb unter: Im Zusammenschnitt klingen die Minimal-Music-Ikonen Glass, Reich, Adams, Ryley und Nyman identisch. Nein, halt, Nyman klingt einen Ton tiefer. Dann wird's wieder massentauglicher: Rhapsody in Blue gibt den Rahmen für einen halsbrecherischen Rundumschlag mit konfiszierten Geigenbögen und geröhrten Liebesbekenntnissen. Da kann es den Pianisten schon mal aus der Kurve tragen.
Die Möglichkeiten sind unerschöpflich: Violorobics mit Coach Joo (mit Bauchansatz im lila Aerobic-Dress), musikalisches Navi („Wechseln Sie in vier Takten nach Cis-Dur“), innerer Monolog des Pianisten bei Schubert („Hab' ich eigentlich den Ofen ausgemacht?“) oder Hardrock-Nummer auf der E-Geige. Letztere kommt zustande, indem Igudesman den Stab herausreißt, der den Deckel des – präparierten – Flügels stützt.
Zwischendurch, einfach so, ein wunderbares Bach-Adagio, und weiter geht's. Eine 08/15-Begleitfigur am Flügel, immer und immer wieder. Joo: „Das Konzert ist zu Ende. Ich werde das spielen, bis Sie weg sind.“ Dann endlich Geige dazu. Ein Halbton-Vorschlag reicht, und alle denken: Sirtaki! Es wird ein bisschen mehr: Säbeltanz, Anatevka, Dritter Mann, Vangelis, Czardas und was noch alles.
Das Programm heißt übrigens „And now Mozart“. Der kommt tatsächlich erst in der Zugabe, dem vielleicht stärksten Stück: Figaro-Ouvertüre, der Disco-Schlager „I will survive“ als Opern-Rezitativ, ein bisschen Händel, ein irrer Rap, und damit's nicht zu akademisch wird, noch ein Kalauer: Publikums-Kanon über ein Paar in der ersten Reihe – „Sir“ und „Wife“. Survive. Boah, denkt der Zuschauer, und Igudesman grinst.
Interview mit Aleksey Igudesman