zurück
Kit Armstrong: Starpianist zwischen Musik und Mathematik
Kit Armstrong: Der 22-jährige Ausnahmepianist ist ein Wanderer zwischen den Welten. Ob er auch in Zukunft Klavier spielen will? Sicher ist er sich da durchaus nicht.
Kit Armstrong: „Mein jetziges Leben bereitet mir unendlich viel Spaß.“
Foto: Jason Alden / June | Kit Armstrong: „Mein jetziges Leben bereitet mir unendlich viel Spaß.“
Christoph Forsthoff
 |  aktualisiert: 07.11.2019 20:30 Uhr

Alfred Brendel hatte den schmächtigen Jungen 2008 als Jahrhundertbegabung bezeichnet – inzwischen zählt Kit Armstrong 22 Jahre und wird auf den Podien dieser Welt als brillanter Pianist gefeiert. Zwischenzeitlich hat er sein Mathematikstudium abgeschlossen, sich die deutsche Sprache beigebracht und eigene Kompositionen eingespielt. Am 20. Oktober gastiert der US-Amerikaner taiwanesischer Abstammung beim Meisterkonzert der Musikalischen Akademie (siehe Kasten) als Teil eines Trios in Würzburgs Musikhochschule.

Frage: Empfinden Sie es als Last, dass Alfred Brendel Sie einen Jahrhundertkünstler genannt hat?

Kit Armstrong: Ehrlich: Es ist das erste Mal, dass ich das höre – vielleicht werde ich ihn bei unserer nächsten Begegnung fragen, was er damit gemeint hat (lacht). Auch wenn ich mir schon meiner Verantwortung bewusst bin, etwas zu schaffen, dessen Aussage über den Tag hinausgeht.

Gidon Kremer hat geschrieben: „Entscheidend für die Karriere wird das Know-how, wie man seine Begabung am besten verkauft. Dass man seine Seele gleich mitverkauft, merken nur wenige“ – sehen Sie diese Gefahr auch?

Armstrong: Bei mir mischt sich da niemand ein. Wenn ich über die Musik oder meine Karriere nachdenke, heißt das für mich, Partituren zu lesen, Zusammenhänge zu entdecken oder neue Projekte zu entwickeln: Das bedeutet für mich Beschäftigung mit Musik – alles andere ist nicht meine Sache.

Sie bleiben sich also selbst treu und verkaufen nicht Ihre Seele?

Armstrong: Vielleicht habe ich meine Seele schon verkauft, aber ich merke es nicht (lacht). Nein, in meinem Fall hat diese Formulierung keine Bedeutung.

Sie haben, statt auf den frühen, schnellen Ruhm zu setzen, erst einmal Ihr Mathematikstudium abgeschlossen – was ist das Faszinierende an der Mathematik für einen Künstler, dessen Wirken doch eigentlich mehr mit der Seele zu tun hat als mit der Vernunft?

Armstrong: Die Mathematik hat genauso eine Seele wie die Musik. Man braucht Intuition, Begeisterung und einen Sinn für das Schöne, denn ohne diesen Sinn existiert die Mathematik nicht. Die reine Mathematik ist nämlich etwas ziemlich Unpraktisches: Man forscht nicht, um die Lösung für ein bekanntes Problem zu finden, sondern um schöne Sachen zu entdecken.

Schwer vorstellbar bei einem Mathematiker.

Armstrong: Doch, Schönheit ist die Grundmotivation eines jeden Mathematikers. Zudem habe ich meine Ausbildung immer im Bereich der Naturwissenschaften gesehen – die Musik aber war für mich stets eine Entspannung und ist es das auch nach wie vor.

Was fasziniert Sie derart an der Mathematik?

Armstrong: Zum einen ist es ein Streben nach dem Wissen – ganz generell möchte ich über alles gern mehr erfahren. Ich bin einfach ein neugieriger Mensch, ja, vielleicht bin ich ein geborener Wissenschaftler (lacht).

. . . weshalb Sie sich nach wie vor auch mit der Mathematik beschäftigen?

Armstrong: Aktuell nicht mehr. Nach dem Abschluss meines Studiums 2011 habe ich mich gefragt, ob ich mich weiter der Mathematik widme – was bedeutet hätte, dass ich die Musikkarriere zumindest hätte einschränken müssen –, oder ob ich versuche, ganz in der Welt der Musik zu leben. Da ich Letzteres sehr schön fand, habe ich mich für die Musik entschieden – und es auch nie bereut, denn mein jetziges Leben bereitet mir unendlich viel Spaß!

Spaß bereitet Ihnen offenbar auch das Komponieren, mit dem Sie schon als Kind begonnen haben – erinnern Sie sich eigentlich noch, was Sie seinerzeit gereizt hat?

Armstrong: Nein, diese Gefühle sind verblasst – geblieben ist hingegen die Musik, die ich damals geschrieben habe. Jüngst habe ich einen großen Karton mit meinen allerersten Kompositionen entdeckt und ich freue mich schon sehr darauf, mir diese Werke einmal wieder anzuschauen, in die Gefühle jener Zeit einzutauchen und so vielleicht auch meine Vergangenheit besser zu verstehen.

Spreche ich nun mit dem Pianisten oder dem Komponisten?

Armstrong: In erster Linie bin ich Musiker und in zweiter Linie Pianist – davon war ich schon immer überzeugt. Der Musiker arbeitet mit Klangvorstellungen und noch nicht verwirklichten Ideen – und der Pianist schafft daraus etwas mit dem Klavier. Insofern ist es uninteressant, die pianistische Technik zu studieren, weil es eigentlich eine leere Hülle ist.

Ohne die indes kein Klavierabend möglich wäre.

Armstrong: Natürlich ist es wissenschaftlich interessant, wie sich solche Klangvorstellungen dann auf dem Klavier umsetzen lassen – doch ich als Musiker will die Sprache studieren und nicht die Aussprache. Ich behaupte nicht, dass ich die Aussprache hundertprozentig beherrsche: In Konzerten passieren mir immer wieder Dinge, die ich mir nicht wünschte . . .

Als da wären?

Armstrong: Etwa falsche Töne – aber das ist nicht weiter schlimm, solange die Intention dahinter stimmt. Natürlich will ich keinen falschen Ton treffen, aber um im Bild zu bleiben: Es genügt, was ich auf dem Klavier kann. Woran ich hingegen arbeite, das ist der Gedanke dahinter.

Das klingt, als sei für Sie am Ende für die Interpretation der Kopf wichtiger als der Bauch?

Armstrong: Man kann den Kopf und den Bauch nicht trennen. Ist die Phrasierung eine Sache des Bauchgefühls oder des Verstands? Ist die Klangschönheit Intuition oder Verstand? Natürlich ist der Rhythmus eine Sache des Verstandes, weil man immer bewusst zählen muss und die Struktur im Kopf behalten – doch warum macht man das?

Verraten Sie es uns.

Armstrong: Weil es unserem Bauchgefühl entspricht, das wiederum aus der Tradition dieser Musik entstanden ist – diese Tradition indes ist wieder Kopfsache. Mir fällt kein Beispiel ein, wo ich nicht verschiedene Argumente fände, um etwas entweder als Bauchgefühl oder als Sache des Verstandes zu bezeichnen: Es gibt immer ein Argument für beides.

Sie haben eine Leidenschaft fürs Kochen. Ist das ein Ausgleich für Ihre ja sonst doch sehr vom Geist dominierten Beschäftigungen?

Armstrong: Körperlich auf jeden Fall. Neulich habe ich gemerkt, dass ich, nachdem ich Teig geknetet oder Nudeln selbst gemacht habe, keine gescheiten Tremoli mehr spielen kann. Ich kann mir diese Blockade zwar noch nicht wirklich erklären, aber es gibt offenbar Gegenbewegungen, die einfach nicht zusammenpassen.

Ist es denn für Sie tatsächlich vorstellbar, in zehn Jahren den Lebensabschnitt als Musiker zu beenden und sich etwa der Mathematik oder der Kochkunst zuzuwenden?

Armstrong: Mein jetziger Lebensabschnitt ist sehr erfüllend – und wird auch im Rückblick immer sehr erfüllend gewesen sein. Was danach passiert, woher soll ich das heute wissen?

Es könnte also durchaus denkbar sein, dass Kit Armstrong eines Tages etwas ganz anderes macht.

Armstrong: Ja – und dafür ist es wiederum ein großes Glück, dass ich eine Ausbildung gehabt habe, die nicht aus dem gleichen Bereich wie meine jetzige Tätigkeit stammt.

Die Musikalische Akademie Würzburg

Der eingetragene Verein ist eine Gesellschaft der Freunde und Förderer der Würzburger Hochschule für Musik. Die Meisterkonzerte sind eine Veranstaltungsreihe der Musikalischen Akademie Würzburg. Sie sind im Abonnement oder einzeln buchbar.

Die Erlöse der Meisterkonzerte der Musikalischen Akademie kommen der Hochschule für Musik Würzburg vornehmlich in Form der Förderung von Projekten, Veranstaltungsreihen und Workshops zugute.

Die Akademie veranstaltet Konzerte und Vorträge, fördert die Tage der Alten Musik und die Tage der Neuen Musik, unterstützt hochschulinterne Wettbewerbe und stiftet Preise.

Auch Studienbeihilfen, Zuschüsse für Fahrten zu Wettbewerben und die Unterstützung von Meisterkursen gehören zu den Aufgaben der Musikalischen Akademie Würzburg.

Das Trio Kit Armstrong (Klavier), Andrej Bielow (Violine) und Adrian Brendel (Cello) tritt am 20. Oktober um 19.30 Uhr beim Meisterkonzert in der Musikhochschule auf. Gespielt werden Haydn, Ravel, Rameau und Schumann. Vorverkauf: Tel. (09 31) 60 01-60 00.

Infos: www.meisterkonzerte-wü.de

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Akademien
Gidon Kremer
Hochschule für Musik
Hochschule für Musik Würzburg
Josef Haydn
Mathematik
Pianisten
Wanderer
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen