Das schlichte Andante offenbarte das wundersame Bündnis verwandter Musikerseelen: Beim Zuhören stockte der Atem, Wärme durchflutete den Großen Saal im Regentenbau – der Wunsch nach Ewigkeit breitete sich aus, trotz Masken-Tragepflicht. So zart, innig und spannungsreich gespielt war dieser zwölfminütige Andante-Satz aus Johannes Brahms' Klavierkonzert Nr. 2 in B-Dur beim Kissinger Sommer. Danke an die aufmerksam musizierende Dresdner Philharmonie mit dem dynamisch hellwachen Dirigenten Lionel Bringuier und dem wunderbar variablen Pianisten Kirill Gerstein. Der war schon vor fast 20 Jahren, 2003, beim ersten Bad Kissinger Klavierolymp aufgefallen. Damals belegte Gerstein den dritten Platz – es folgten erste Ränge bei anderen Wettbewerben.
Wenn Dresdner Philharmonie und Pianist gemeinsam den Finalsatz feiern
Gerstein zeichnete beim "Spätromantischen Klavierkonzert" am Freitagabend ein ausdrucksstarker Tastenanschlag aus: im sanften Pianissimo ebenso wie im hohen Tempo gespielten energischen Fortissimo in Brahms zweitem Satz. Bei Trillern wirbelten seine Finger am Ende des Auftaktsatzes mühelos. Den konzertanten Finalsatz feierte die Dresdner Philharmonie unter dem prägnanten und wachen Dirigat von Lionel Bringuier gemeinsam mit dem Pianisten. Ein Leuchten ging von der voll besetzten Bühne aus – dankbarer langer Applaus belohnte das intensive Hörerlebnis mit makellosen Hornisten, bravourösen Holzbläsern, einfühlsamsten Streichern.
Tänzerischer Einstieg, schwelgerischer Schluss
Eröffnet wurde der Konzertabend mit Masques et Bergamasques von Gabriel Fauré. Tänzerisch fluffig gelang der Einstieg in die viersätzige Orchestersuite. Lionel Bringuiers Körpersprache verriet gleich, dass er unbändige Lust aufs Musizieren mit der Dresdner Philharmonie hat. Im schwelgerisch beginnenden Schlusssatz verwoben sich romantische Holzbläser mit gefühlvollen Streichern und hoben mit Harfenklängen ab in sphärische Klangwelten.
Albert Roussels "Le festin de l’araignée – Das Festmahl der Spinne" ist ein wundersamer Klang-Spaziergang durch einen mit allerlei Tierchen belebten Sommergarten. Bringuier inszenierte ihn treibend betriebsam beim "Entrée des fourmis – Auftritt der Ameisen", heiter und verspielt beim "Tanz der Schmetterlinge". Und dann spannte das Orchester einen großen Bogen vom lebensfrohen Tanz der Eintagsfliege zum finalen gemeinsamen Ausatmen beim Trauern um alle Tiere, die letztendlich der großen Nahrungskette zum Opfer fallen. Bereits hier zeigten die Dresdner mit Bringuier die große Fähigkeit, Spannung zu halten bis zum letzten Augenblick.