Als „Moskauer Virtuosenkonzert“ ist der zweite Kissinger-Sommer-Abend mit dem State Academic Symphony Orchestra of Russia und dem Dirigenten Vladimir Jurowski angekündigt. In der Tat erleben die Zuhörer im Regentenbau mit Peter Tschaikowskys 5. Sinfonie ein ungewöhnlich beeindruckendes Konzert. Die Streichergruppen spielen kammermusikalisch durchsichtig und können doch die Pracht, die festliche Fülle eines großen Orchesters herstellen. Wunderschön, ohne brutale Kraftentfaltung, aber durchaus emotional musiziert das Blech, zumal die Trompeten. Weich und sicher kommen die Einsätze der Holzbläser. Wunderschön und virtuos ihre Soli und die der Hörner, wahrlich ein Virtuosenkonzert.
Ihr Dirigent, der demnächst das Radio-Sinfonieorchester Berlin leiten wird, muss gar nicht viel tun. Ohne großen, ausladenden Körpereinsatz führt er das Orchester sicher, detailgenau, sensibel und spannungsvoll durch Tschaikowskys emotionale Partitur. Ergreifende Momente erzielt er, wenn er den überbordenden Jubel abrupt bremst. Der Walzer im dritten Satz wird zum bezaubernden Genrestückchen, der letzte Satz zum Triumphmarsch.
Als Zugabe für das lautstark mit Trampeln applaudierende Publikum wählt er das Vorspiel zum dritten Akt von Richard Wagners „Meistersingern“. Seine bezaubernde, stimmige Interpretation könnte ihn durchaus als Einspringer für Andris Nelsons in Bayreuth empfehlen . . .
Geiger Daniel Hope, in Südafrika geborener Wahl-Brite, ist der Haupt-Solist an diesem Abend. Mit zwei weniger bekannten Violinkonzerten – dem in B-Dur KV 207 von Wolfgang Amadeus Mozart und dem d-Moll-Konzert von Felix Mendelssohn Bartholdy – hat er sich ein interessantes Programm vorgenommen.
Liebenswert unbekümmert
Da erlebt man einen Mozart, der sich oft virtuoser zeigt als in den bekannten Konzerten. So wie Hope mühelos-heiter die abenteuerlichen, sprühenden, tempogeladenen Figuren angeht, wird dieser Mozart zu einem liebenswert-unbekümmerten Ereignis. Hope bindet sich nahtlos ins Orchester ein, kommuniziert mit Dirigent und Konzertmeister.
Dann Mendelssohn, ein dramatisch-wilder Ritt auf Tönen, rasant, tempogeladen und trotzdem klangvoll. Bemerkenswert ist hier die Vielfarbigkeit, mit der die reine Streicherbesetzung im Orchester glänzt. Hope kann mit seinem tragfähigen, schlackenlosen Geigenton selbst im zartesten Pianissimo bezaubern.
Die virtuose Zugabe einer kleinen Komposition des Inders Ravi Shankar widmete er der scheidenden Intendantin des Kissinger Sommers, Kari Kahl-Wolfsjäger.