Der Pianist, der konzentriert und einsam auf der großen Bühne sitzt, schwitzt. Kleine Perlen des Fleißes tropfen sacht von der Stirn auf den Zwirn der feinen Konzertrobe. Das erstaunt: Scheinbar mühelos scheint das Spiel, sparsam sind die Bewegungen. Nur die Mimik verrät, wie intensiv er sich der Musik hingibt.
Wer nah genug an András Schiff sitzt, sieht keinen Meister der großen Gesten, keinen, der ablenken will vom Werk, dem er dient. Das macht ihn so großartig, flößt Respekt ein. Schiff wahrt Distanz zum Publikum und vereinnahmt es trotzdem mit technisch brillantem und noblem Klavierspiel.
Voll besetzt ist der Max-Littmann-Saal beim Klavierabend I des Kissinger Sommers mit dem 1953 in Budapest geborenen Künstler. Die oberen Ränge bleiben an diesem Abend geschlossen. Die herausragenden Werke sind Felix Mendelssohn Bartholdys 17 Variations sérieuses und Beethovens 33 Diabelli-Variationen. Beide leben von scharfen Gegensätzen und großem Empfinden für Betonungen, Ornamentik und Phrasierungen: Irrwitzige Tempi lösen lyrische Phasen ab, erfrischende Triller-Verzierungen stehen synkopisch ausgereizten Einwürfen gegenüber.
Spielerisch leicht eröffnet András Schiff den Konzertreigen mit Mozarts B-Dur Variationen KV 500. Er spielt, als begegne er alten Vertrauten. Lächelnd, auch mal mit gefurchter Stirn oder staunend aufblickend über eine neue Wendung der bekannten Melodie. Joseph Haydns fabelhafte f-Moll-Variationen kommen schlafwandlerisch sicher. Selbst Robert Schumanns überaus innige Geister-Variationen taucht Schiff in warmes, wohltuendes Licht.
Und der Meister bestimmt, wann geklatscht wird: Er hält die Körperspannung, nimmt die Hände nicht vom Steinway, beherrscht das Publikum, das doch die Hände rühren will. Er kostete den Klang des letzen Tones vollendet aus. Auch nach der erklatschten und mit Bravorufen geforderten Zugabe, dem ersten Stück aus Bachs Goldberg-Variationen.