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TOKIO
Kenzaburo Oe: Pazifist und Atomkraftgegner
dpa
 |  aktualisiert: 24.05.2022 09:38 Uhr

Er ist so etwas wie das soziale Gewissen Japans. „Ich spüre, dass Japan an einem Wendepunkt angelangt ist“, kommentierte Kenzaburo Oe kürzlich ein von der rechtskonservativen Regierung seines Landes verabschiedetes Gesetz zur verschärften Bestrafung von Geheimnisverrat. Eindringlich warnt der große alte Mann der japanischen Nachkriegsliteratur vor einem Rückfall Japans in die Zeiten, die zum Zweiten Weltkrieg führten. Oe, der an diesem Samstag 80 Jahre alt wird, wird nicht müde zu mahnen und zu warnen. Gerade in diesen Zeiten, da die Regierung eine Abkehr von der pazifistischen Nachkriegsverfassung sowie eine Rückkehr zur Atomenergie anstrebt, ist seine Stimme bei vielen gefragter denn je.

Das schwedische Nobelpreiskomitee, das Oe 1994 mit dem Nobelpreis für Literatur ehrte, würdigte denn auch nicht nur Oes literarisches Schaffen, sondern auch seine Rolle als Sozialkritiker sowie Mahner vor einer kritiklosen Verwestlichung seines Heimatlandes. Willy Brandt meinte einmal, Oe spiele in seinem Land „offenbar dieselbe Rolle wie Günter Grass in Deutschland – den Nestbeschmutzer“. Beide Nobelpreisträger – Oes Briefwechsel mit Grass erschien in Deutschland 1995 – thematisieren die Lehren aus der schmerzlichen Vergangenheit ihrer Länder.

So ist Oe Mitbegründer einer Bürgerorganisation, die sich für den Erhalt des Friedensartikels der Nachkriegsverfassung einsetzt, die zu ändern sich die neue rechte Regierung auf die Fahnen geschrieben hat. Immer wieder meldet sich Oe, der lange als linksintellektueller „Bürgerschreck“ galt, zum Thema zu Wort.

Ein weiteres zentrales Thema für Oe, der auf der Insel Shikoku im Südwesten Japans als Spross einer adligen Samurai-Familie geboren wurde und von seiner ländlichen Herkunft geprägt blieb, war der Atombombenabwurf auf Hiroshima. Heute steht der Nobelpreisträger an der Spitze einer Bewegung in Japan, die nach dem Atomunfall in Fukushima einen Ausstieg aus der Atomkraft fordern.

„Hiroshima muss in unseren Erinnerungen eingeprägt sein: Es ist eine Katastrophe, die noch dramatischer als Naturkatastrophen ist, weil sie von Menschen gemacht ist. Dies durch dieselbe Missachtung für menschliches Leben in Atomkraftwerken zu wiederholen, ist der schlimmste Verrat an die Erinnerung der Opfer von Hiroshima“, sagte Oe in einem Interview nach der Katastrophe vom 11. März 2011.

Oe, der sich selbst einmal das „schwarze Schaf“ der japanischen Literatur nannte, zählt Thomas Mann zu seinen Vorbildern, wenn es um die Verbindung von literarischer und gesellschaftspolitischer Bedeutung geht.

 
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