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Würzburg
Kaspar Hauser oder: Wie werde ich ich?
Über Kaspar Hauser ist viel geschrieben worden. Karolin Benker und Valerie Kiendl steuern mit „K*HausX“ im theater ensemble eine ganz eigene Deutung des Stoffes bei.
„K*HausX“ im theater ensemble. Karolin Benker als Kaspar Hauser.
Foto: Andreas Büettner | „K*HausX“ im theater ensemble. Karolin Benker als Kaspar Hauser.
Joachim Fildhaut
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:18 Uhr

Ein Zwei-Personen-Stück umkreist den rätselhaften Findeljungen, der 1828 in Nürnberg auftauchte. Kräftig, originell, bildstark und dialektisch, so dringen die Theatermacherinnen Karolin Benker und Valerie Kiendl mit ihrem „K*HausX. Kaspar Hauser Reenactment“ in den Prozess der Ichwerdung hinein, durch die Besonderheiten des historischen Falls Hauser hindurch zum Menschlichen: Wir sind Kaspar.

Dann drehen Kiendl und Benker die Blickrichtung um, nehmen nacheinander vier Außenperspektiven ein und projizieren ihre subjektiven Weltbilder auf den toten jungen Menschen, der sich, weil tot, nicht mehr wehren kann. Am erfolgreichsten sind die psychologische Herangehensweise, die (mit einem Rollentausch der beiden Bühnenrepräsentantinnen) in den ersten Teil des abendfüllenden Stücks zurückführt, und der Gender-Ansatz: Wäre Kaspar Hauser eine Frau gewesen, hätte sie als Prostituierte geendet.

Gelungene visuelle Experimente

Lichtkegel fahren im dunklen Bühnenraum über Gliedmaßen, Nummerngirls tanzen um das Schild „scharf nachgedacht“, eine Collage aus eigenen, fremden und verfremdeten Texten begleitet die gelungenen visuellen Experimente. Wobei die Schattenspiele an den Stil des Bühnenhauses an der Frankfurter Straße anknüpfen. In der kleinen Studiokammer sieht man einiges Bekannte vom theater ensemble, in dem nicht nur das Findelkind zu sich selbst findet, sondern auch die Künstlergruppe hier.

Wer unter den Zuschauern einigermaßen mit der Gedankenbewegung vertraut ist, dass sich Phänomene über ihr Gegenteil, über das Negative definieren, dass sie sich also spiegeln müssen, der wird „K*HausX“ im Prinzip deutlich leichter nachvollziehen können, als es das Buchstabenspiel des Titels suggeriert. Denn die angedeutete Frage, ob der Name Haus-Er eine mögliche Haus-Sie ausschließen darf, verrät einiges über die Fähigkeit der Autorinnen-Darstellerinnen zur Selbstironie.

Improvisierte Ansagen an die Technik

Und, wo wir grade auf Metaebenen sind: Das Bühnenteam spaßt gern mit improvisierten Ansagen an die Technik – und an die Zuschauer. Das verleiht der Inszenierung etwas Trashiges, zu dem sich die Privatbühne seit langem bekennt und wofür sie von ihren Freunden so geschätzt wird.

Über Kaspar Hauser wurde schon viel geschrieben – Karolin Benker und Valerie Kiendl gehen auch mit diesem Bücherstapel beherzt, frisch und von einem eigenen Standpunkt aus um. Sie haben etwas Eigenes geschaffen, das jeden interessieren kann: Wie werde ich ich?

Weitere Vorstellungen: 3. und 4. Januar, 9. und 10. Februar, 17. und 24. März. Karten unter Tel.: (0931) 44545, www.theater-ensemble.net

 
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