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FERNSEHEN
Kartenhaus der Macht: "House of Cards"
In Serie: In einer Reihe von Artikeln beschäftigen wir uns feuilletonistisch mit alten und neuen Fernsehserien. Heute: „House of Cards“ oder Kevin Spacey in Hochform.
Die Sitzgelegenheit sagt alles: Kevin Spacey in der Rolle des Francis Underwood auf dem Marmorthron des Lincoln-Memorials. Mit Blut an den Händen.
Foto: Cinetext | Die Sitzgelegenheit sagt alles: Kevin Spacey in der Rolle des Francis Underwood auf dem Marmorthron des Lincoln-Memorials. Mit Blut an den Händen.
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 23.02.2015 12:58 Uhr

Wäre die Affäre Edathy eine Episode von „House of Cards“, ihre Hintergründe würden nie auch nur annähernd aufgedeckt. Edathy wäre nur ein kleiner Spielstein in einer hochkomplexen Operation, ebenso wie all die Friedrichs, Oppermanns, Gabriels, Steinmeiers und Seehofers. Es gäbe nach dem ersten noch ein paar weitere Rücktritte, und nach einigen Monaten würde, scheinbar zufällig, an ganz anderer Stelle, ein Politiker, dessen Name niemals in Zusammenhang mit all den Verwicklungen genannt worden wäre, eine weitere Sprosse der Karriereleiter hochsteigen.

„House of Cards“ spielt aber nicht in Berlin, sondern in Washington. In der Serie ist Francis „Frank“ Underwood, der Fraktionsvorsitzende der Demokraten im Kongress, diese Figur im Hintergrund. Es beginnt mit einer Niederlage: Underwood hat dem Präsidenten Walker in den Sattel verholfen und kann nun auf den Posten des Außenministers hoffen. Schluss mit dem ewigen Geschacher um Stimmen für irgendwelche Gesetzesvorhaben, die ihm sowieso egal sind, endlich raus aus dem Haifischbecken Kongress. Doch es kommt anders: „Wir brauchen Sie im Kongress.“

Ein Rückschlag, für den sich Underwood abends bei seiner Frau entschuldigt – in einem letzten Moment der Schwäche, der Hoffnung auf ein wenig Trost. Doch Claire reagiert eiskalt: „Francis Underwood entschuldigt sich nicht, auch nicht bei seiner Frau.“

Das ist der Startschuss. Underwood erkennt, dass er frei ist. Jetzt geht es nur noch um ihn und die Macht. „Von jetzt an schulden wir niemandem mehr Loyalität“, sagt er zu seinem Stabschef. Und macht sich gleich an die Arbeit. In kürzester Zeit diskreditiert er mit Hilfe der extrem ehrgeizigen Jungreporterin Zoe Barnes den Mann, der statt seiner Außenminister geworden ist, und installiert eine Favoritin, die ihm in alle Ewigkeit verpflichtet ist. Das alles übrigens, ohne dass seine Person auch nur am Rande in Erscheinung tritt. Die Kunst ist es, die gewünschten Entscheidungen als Idee von jemand anders aussehen zu lassen.

Nach außen ist er weiterhin Tausendsassa der Partei. Der Präsident hat in seiner Antrittsrede versprochen, binnen 100 Tagen ein völlig neues Bildungsgesetz vorzulegen. Underwood lässt es von ein paar jungen Experten schreiben, die er in seinem Büro einsperrt, und besorgt auch gleich die Mehrheiten.

All das hat nur einen einzigen Zweck: Das System Underwood zu perfektionieren. Dieses System (Serienslogan: „One Nation Underwood“, statt „under God“) ist im Grunde einfach, wenn auch seine Anwendung einen Meister vom Schlage Underwoods erfordert: Jeder ist mit irgendwas erpressbar oder käuflich. Und wenn nicht, dann muss man eben einen Erpressungsgrund schaffen oder den richtigen Köder. Als Peter Russo, ein Abgeordneter seiner Fraktion, betrunken und mit einer Prostituierten im Auto erwischt wird, paukt Underwood ihn raus. Russo wird das sehr, sehr teuer bezahlen. Als Underwood von ihm verlangt, die Schließung eines Militärstützpunktes in seinem Wahlkreis widerstandslos hinzunehmen (was natürlich den politischen Tod bedeutet), hat er nichts entgegenzusetzen außer den Hinweis auf das Schicksal der vielen betroffenen Familien.

Underwood: „Wenn du von Familienwerten laberst, und ich erwische dich mit einer Nutte, dann bist du geliefert.“ Er sagt das nicht zu Russo, sondern direkt zum Zuschauer. So wie Shakespeares Richard III. Tatsächlich hat „House of Cards“ das Format der großen Königsdramen, wie im Feuilleton unermüdlich betont wird. Francis Underwood ist vor allem dank der Darstellung durch Kevin Spacey (der auch Richard III. schon gespielt hat) einer der ganz großen dramatischen Helden. Spacey, Schauspieler, Regisseur, Produzent und künstlerischer Leiter des Old Vic Theatre in London, ist einer der klügsten Köpfe nicht nur in Hollywood. Kaum jemand gibt so genüsslich und überzeugend den Kotzbrocken, aber in die Rolle des Francis Underwood schlüpft er so mühelos, dass einem angst und bange werden kann.

Und dieser Francis Underwood hat viele Gesichter. Gerade noch hat er ausgesehen wie ein harmloser, etwas müder Basset, der doch für alle nur das Beste will. Schon lehnt er sich wieder in die Kamera und kommentiert mit diesem unsagbar überlegenen Lächeln um die Augen: „Den meisten ist Geld wichtiger als Macht. Ein in Washington weit verbreiteter Irrtum.“

Die wunderbar kühle Robin Wright spielt Underwoods Frau Claire, Leiterin einer millionenschweren Charity-Organisation. Sie sieht großartig aus, kann ihr Mitgefühl passgenau dosieren und versteht es meisterhaft, Menschen zu manipulieren. Die beiden sind das perfekte Team. Er, wieder direkt an den Zuschauer: „Ich liebe diese Frau mehr als Haie Blut lieben.“ Sehr viel poetischer geht es nicht.

„House of Cards“, entstanden nach einem Vorbild der BBC, ist keine Fernseh-, sondern eine Webserie. Das Internetportal Netflix hat sie dem Bezahlsender HBO 2012 vor der Nase weggeschnappt. In Deutschland startet die zweite Staffel am 3. März im Sky-Hauptprogramm. Die Episoden sind deshalb nicht minder aufwendig produziert. Im Gegenteil: Das perfekt durchgestylte gediegene Washingtoner Dekor mit seinen dunklen Paneelen und den tiefen Sesseln bildet einen wunderbaren Gegenpol zur Niedertracht des Politbetriebs, der laut Insidern angeblich zu 99 Prozent korrekt wiedergegeben ist. Das fehlende Prozent sei nur der Tatsache geschuldet, dass in der Realität Gesetzesvorhaben niemals so schnell umgesetzt würden wie in der Serie.

 
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