
„Man muss ein bisschen sterben, bevor man leben kann. Es bricht das Eis in Scherben, dann bricht der Frühling an.“ Siegfried Rauch hat dieses Lied geliebt – und er wollte immer noch eine Platte machen. Mit eigenen Liedern und Texten wie diesem. Jetzt ist der Frühling angebrochen – und Siegfried Rauch gestorben. Plötzlich und unerwartet.
Der Schauspieler, der ein Millionenpublikum erfreute, ist nach einer Feier in seinem oberbayerischen Heimatdorf in der Nähe von Murnau zusammengesackt und dann eine Treppe hinuntergestürzt. Seinem Manager zufolge starb der 85-Jährige an Herzversagen. Dabei schien er vor Elan und Lebenslust zu sprühen. Über Siegfried Rauch zu schreiben, ist schwer. Es gibt so vieles, das man erzählen möchte über diesen Mann. Man möchte ihm gerecht werden, doch wie bekommt man so viele Talente, so viel Erfolg, so viel Beliebtheit und Besonderheit in eine verhältnismäßig kleine Zahl an Zeilen? Wie fasst man Jahrzehnte einer großen Schauspielkarriere zusammen, ohne beliebig zu werden, ohne tausendfach Gesagtes und Geschriebenes zu wiederholen?
Auch in Würzburg wird getrauert
Ja, Siegfried Rauch war der Kapitän des „Traumschiffs“ in der ZDF-Serie. Ja, er spielte auch im „Bergdoktor“ mit. Und er war der Vater in „Die glückliche Familie“ an der Seite von Maria Schell. Doch Siegfried Rauch war so viel mehr. Ein grandioser Schauspieler mit einer Hollywood-Karriere, ein talentierter Sänger, Maler, Geschichtenerzähler. Ein Menschenfreund. Und ein Herzensmensch, um den jetzt auch in Würzburg getrauert wird. Der Stadt, in die er so gerne kam.

Die Stadt und die Region, in der er mit der Künstleragentur „Gebrüder Krimm“ aus Veitshöchheim ein, wie er sagte, „optimales Management“ gefunden hatte. Die ihn unterstützte bei Buchprojekten wie „Käpt'ns Dinner“ mit Erzählungen aus seinem Leben.
Stammgast im Hotel Rebstock
Mit seiner „Bergweihnacht“ kam Siegfried Rauch in den vergangenen Jahren regelmäßig nach Mainfranken, begeisterte bei den Lesungen seine Fans. Im Würzburger Hotel Rebstock ist die Trauer um den Schauspieler groß. Dort war er Stammgast, über die Maßen beliebt und dort hängt der Schauspieler in der „Promi-Galerie“ mittendrin. „Ich hab mich gefühlt wie der schwedische König“, hat er über sein Kapitänsfoto geschrieben. Das war 2015, kurz nach dem Besuch von Königin Silvia. „Für ihn war das ein riesiger Spaß, direkt neben ihrem Foto zu hängen“, sagt Rezeptionsleiterin Stefanie Langer. „Wir sind bestürzt und sehr traurig über seinen Tod. Er ist erst vor wenigen Wochen hier gewesen, er war so jugendlich und lebensfroh.“

Auch gegenüber, im italienischen Restaurant „Da Luigi“, saß Siegfried Rauch noch an Silvester, genoss den Wein, das Leben und die Freundschaft mit Inhaber Tonino Marsico. „Im April wollte er wieder kommen, die Nachricht von seinem Tod war ein Schock.“ Siegfried Rauch, so erzählt Marsico, sei ein Mensch gewesen, der wusste, was für das Leben wichtig ist. „Mit ihm zu reden, war phänomenal.“
Freundlich. Charmant. Weltgewandt. Und doch bescheiden. Unverstellte Herzlichkeit. All das kommt einem beim Stichwort Siegfried Rauch in den Sinn. Im letzten Interview mit dieser Redaktion vor wenigen Wochen erzählte Rauch aus seinem Leben. Anekdoten aus der Filmwelt. Als seine Frau Karin in den 70er Jahren im Nachthemd in den frühen Morgenstunden an die Hotelbar stürmte und sein Gespräch mit einem Hollywood-Boss sehr energisch beendete. „So, jetzt reicht es auch mal.“ Karin, die Frau seines Lebens, die das Familienleben mit den beiden Söhnen und seine Karriere auch in den Phasen längerer drehbedingter Trennungen zusammenhielt. „Ein Teufelsweib. Immer noch so sexy“, schwärmte Rauch.
Freundschaft mit Steve McQueen
Und er erzählte aus der Zeit, in der er den amerikanischen Schauspieler und Freund Steve McQueen kennengelernt hat. „Ich hatte 1969 den Film ,Patton' gedreht. Meine Rolle war eher klein, aber gut. Und der Film hat damals sieben Oscars bekommen“, so Rauch. Steve habe den Film gesehen und ihn für die Rolle des Rennfahrers Erich Stahler im Film „Le Mans“ gewollt. Dieser Hollywoodfilm um eine Tragödie beim härtesten Autorennen der Welt wurde für Rauch zum internationalen Durchbruch.

Die beiden Männer und ihre Familien verband fortan eine enge Freundschaft. „So etwas gibt es nur einmal im Leben, dass man sofort das Gefühl hat, da ist eine gegenseitige tiefe Bindung, als ob man sich seit Jahrzehnten kennen würde. Eine Seelenverwandtschaft war das.“
Hollywood auf Dauer zu weit weg
Doch Hollywood, das war Siegfried Rauch auf Dauer zu weit weg. Heimatleben und Sehnsucht nach der Familie waren stärker. In Würzburg plauderte er auch über die Liebe. Das erste Date mit seiner Karin: Sie war 16, er 23. Ihre Eltern hätten sie gefragt, was er beruflich mache. „Schauspieler“, habe sie gesagt. Und: „Aber noch nicht richtig auf einer Bühne.“ Siegfried Rauch lachte da laut auf. „Das war natürlich gar nicht gut für mich. Aber dann hatte ich eine Rolle in München an der Seite der damals schon bekannten Grete Weiser, da sind dann ganze Busse aus unseren Heimatdörfern hingekarrt worden. Ja, da waren die Schwiegereltern plötzlich sehr stolz auf mich!“
Eigentlich wollte Rauch nach dem Abitur Architekt werden. „Aber ich war schlecht in Mathe. Ich hätte Häuser gebaut, die statisch zusammengebrochen wären“, amüsierte sich Siegfried Rauch. Dass die Rolle des Kapitäns auf dem „Traumschiff MS Deutschland“ bei seinem deutschen Publikum am stärksten nachhallt, war für Rauch immer nachvollziehbar. „Das war ja auch eine tolle Rolle! Und ich wollte als Kind schon Kapitän werden, da ging also buchstäblich ein Traum in Erfüllung!“ Nun ist der Kapitän von Bord gegangen. Was bleibt, ist Siegfried Rauch als Kapitän der Herzen.