Wenn Texte von Franz Kafka zu Neuer Musik inspirieren, dann wird es ernst. Das konnten Würzburger Konzertgeher schon vor der Aufführung des Studios für Neue Musik in der Musikhochschule Bibrastraße ahnen. Sie wurden ergreifend und intellektuell bestätigt – und am Ende sogar um eine neue Erfahrung bereichert.
Denn gelesen und inszeniert wird der Prager Säulenheilige der literarischen Moderne seit ein paar Jahrzehnten zunehmend auch als Genie des Komischen. Und die letzten beiden – von zehn – Programmpunkte brachten Splitter aus dem „Bericht für eine Akademie“ als Kammeroper in der Tradition des Lautgedichts. Das war ebenso ergreifend wie witzig.
Zudem: Wenn Elias Wolf seine geschulte Baritonstimme als Schimpansenschrei erschallen ließ, setzte er ein starkes Gegengewicht gegen die Sängerinnen Yaewon Yun und Franziska Bader, deren Krenek- und Kurtág-Interpretationen ständig fragen ließen: Mussten diese Neutöner ihr Neutönen eigentlich immer durch blanke Willkür bei ihren Riesen-Intervallen beweisen? Die beiden Gesangsstudentinnen schafften es trotzdem, große Emotionen zu vermitteln. Ihr Dozent in Liedgestaltung Alexander Fleischer begleitete den Abend am Klavier.
Der Philosoph als Komponist
Ein guter Einfall von Programmmacher Klaus Hinrich Stahmer war es, jeden Text zuvor von einem Schauspieler sprechen zu lassen. Nur warf sein Casting die Frage auf: Muss dieser Adam Nümm derart pathetisch tragieren? Soll das an Kafkas Faszination für jiddisches Volkstheater erinnern? Ein solcher Verweis würde immerhin ein weiteres, höchst relevantes Thema in das eindreiviertelstündige Programm „Kafka hören“ einziehen, nämlich das Judentum des Galanteriewarenhändlersohns Franz K. Und das Volkstümliche des grimassierenden Mimen Nümm könnte sich dann berühren mit einigen folkloristischen, ja primitivistischen Phasen in Ruth Zechlins Schlagzeugsolo „Musik zu Kafka“, getrommelt von Myengja Son. Denkbar wär’s. Ebenso wie im ersten Block mit Werken von Petr Ebn und Tzvi Avni das Stichwort „Stille“ zwei Kompositionen miteinander verzahnte.
Genuss zum Mitdenken, das war sehr im Sinn des Philosophen Theodor W. Adorno, der hier als relativ gemäßigt moderner Komponist vorgestellt wurde, ebenso wie Kafkas Freund Max Brod mit seinen Debussy-geschulten Liedern „Tod und Paradies“. Im zweiten Teil dieser kurzen Komposition klang schlichte Salonmusik durch. Die wäre dem persönlichen Musikgeschmack des Stummfilmgängers und Revuebesuchers Franz Kafka wohl am meisten entgegengekommen.
Doch er hätte sich auch für die Instrumentalmusik des Abends erwärmt. Denn ein formales Element bestimmt sein Gesamtwerk besonders – die Bewegung. Und Klavier- und Perkussionssoli kamen dem mit Richtungsunsicherheiten, Tempowechseln, Anspannungen und Aufstauungen beherzt entgegen. Der abwechslungsreiche, gut durchstrukturierte und extrem anregende Abend hatte nur wenige und vorwiegend ältere Hörer. Die aber alle gewonnen. Herzlicher Beifall.