Gerade erst kam Justus Frantz von Konzerten in Armenien, China, Russland und England zurück. Auch rund um seinen 70. Geburtstag am 18. Mai hat der Dirigent alle Hände voll zu tun. Ob er manchmal ans Aufhören denkt? „Das wäre das Ende“, meint der umtriebige Hamburger, der seit 1995 mit der Philharmonie der Nationen um die Welt tourt. Nachdem er 2013 die Leitung des israelischen Orchesters Sinfonietta Beer Sheva übernommen hat, werden wohl noch zwei weitere Orchester dazukommen. Eines davon in China – über das andere kann Frantz noch nicht reden, weil die Verträge noch nicht unterschrieben sind.
Ähnlich wie die Philharmonie der Nationen soll auch das chinesische Orchester aus internationalen Nachwuchskünstlern bestehen. „Ich weiß, Musik ist nur ein Tropfen im Ozean. Aber der Ozean besteht aus unendlich vielen Tropfen.“ Jedes Symbol für den Frieden könne etwas zur Veränderung in den Köpfen beitragen. So ein Friedenszeichen wolle er auch mit dem israelischen Orchester setzen. „Wir hatten im März ein Brahms-Festival, bei dem Christen, Juden und Muslime gemeinsam gespielt haben. Das war für mich ein wichtiges, intensives Erlebnis.“ Die Förderung des musikalischen Nachwuchses ist eines seiner großen Anliegen, „schließlich wurde mir ja auch geholfen“.
Vater war Oberstaatsanwalt
Geboren 1944 im schlesischen Hohensalza (heute: Inowroclaw/Polen), floh seine Mutter mit ihm und den vier Geschwistern Ende des Zweiten Weltkriegs nach Norddeutschland. Sein Vater, ein Oberstaatsanwalt in Breslau, wurde wegen eines Gerichtsurteils gegen einen Judenmörder zu einer „Bewährungskompanie“ an die Front abkommandiert und fiel dort vier Monate vor Justus' Geburt. Freunde der Familie im holsteinischen Tesdorf machten den Buben mit der Musik vertraut, organisierten Hausmusikabende, stellten ein Kammerorchester zusammen.
„Wenn alles weg ist, muss man irgendwie innere Größe bewahren, um mit der Situation fertig zu werden“, erinnert sich der Pianist. Dabei habe ihm die Musik geholfen über die schwere Nachkriegszeit hinwegzukommen. „Wir hatten nichts zu essen, hatten kein Geld für Schuhe – aber wir hatten die Musik, ein ganz großer Besitz.“ Da er selbst kein Instrument spielen konnte, fühlte er sich ein wenig ausgeschlossen. „Das hat in mir den Ehrgeiz geweckt, auch dazuzugehören.“
Sein neunjähriger Sohn Justus Konstantin aus seiner zweiten Ehe mit der russischen Geigerin Xenia wird es da mal leichter haben: Er hat schon mit vier Jahren mit dem Klavierspielen angefangen und gerade den 1. Preis bei einem Wettbewerb gewonnen. Nach seinem Studium an der Hamburger Hochschule für Musik und Theater startete Frantz seine Weltkarriere. Der Durchbruch in die internationale Spitzenklasse gelang ihm mit 26 Jahren als Pianist mit den Berliner Philharmonikern unter der Leitung von Herbert von Karajan. Sein Debütkonzert in den USA absolvierte Frantz 1975 bei den New Yorker Philharmonikern unter der Leitung von Leonard Bernstein, mit dem ihm eine lebenslange Freundschaft verband. Einem breiten Publikum wurde Frantz seit 1990 durch mehrere eigene Fernsehsendungen bekannt, darunter „Achtung, Klassik!“ (ZDF), für die er mit dem Bambi und der Goldenen Kamera ausgezeichnet wurde.
Als Frantz für seinen Freund Christoph Eschenbach auf Gran Canaria einsprang, entdeckte er seine Liebe zu der Kanaren-Insel und baute dort das Anwesen „Casa de los Musicos“, wo alljährlich sein „Finca-Festival“ stattfindet. Dort wurde bei Gesprächen mit Altbundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) und dem damaligen Ministerpräsidenten Uwe Barschel (SPD) die Idee des Schleswig-Holstein-Musikfestivals (SHMF) geboren, dessen Intendant er 1986 wurde. „Ein Festival mit Konzerten auf dem Land gab es damals noch nicht“, erinnert sich der Dirigent, der als Musikmanager öfter in der Kritik stand. Nach Querelen um ein Defizit in Millionenhöhe trat er 1994 als Intendant zurück. Die Liebe zur Musik ist geblieben.