Ja, so ein Regierungswechsel heißt auch Wechsel beim Bühnenpersonal, Kabarettisten müssen ihre Anschauungsobjekte austauschen. Sogar in einem Programm, das sich den bildenden Künsten und einem historischen Abriss von Pyramiden über Gotik zu Gerhard Richter widmet. Doch von vorn: Jürgen Becker, durch die „Mitternachtsspitzen“ dem geneigten Fernsehkabarettpublikum sattsam bekannt, war im ausverkauften Würzburger Bockshorn zu Gast mit seinem Bühnenprogramm. Seit 2011 spielt er das, „Der Künstler ist anwesend“! heißt es, und Becker beantwortet darin für gut 100 an die Wand geworfene Kunstwerke von der Höhlenmalerei bis zu Rosemarie Trockel die Frage, was sich der Künstler da wohl gedacht hat.
Ein politischer Kabarettist auf dem Feld der Kunst? Fachfremd ist der 55-jährige Kölner nicht: Bei 4711 in seiner Heimatstadt lernte er einst grafischer Zeichner: „Mit Tosca kommt die Zärtlichkeit, das ist von mir“, sagt Becker und ergänzt: „Damals schon ein Verhütungsmittel, von der katholischen Kirche erlaubt.“ Und schon ist Becker beim Lieblingsthema des Abends, der katholischen Kirche. Weil Kunst in ihrer Geschichte häufig und oft mit Kirche und Kirchen zu tun hatte – bis hin zu Gerhard Richters bunten Vereinslokal-Butzenfenster im Kölner Dom, die dem dortigen „Kanal Meißner“ „entartet“ schienen –, kann er sich in seiner Doppelstunde Kunstgeschichte weidlich darüber auslassen. „Eine Bibelstelle finden, die passend gemacht werden kann – das nennt man Theologie.“ Und: „Kirchen sind heute noch eine Symbiose aus Aula und Markthalle, der Beichtstuhl ist quasi die Pfandabgabestelle.“
Ansonsten erklärt Becker mit mal mehr, mal weniger deftigem Kölschen Zungenschlag, mal mehr pointiert, mal eher platt, warum ein röhrender Hirsch in jede Wohnung gehört. Weil: Jede Kunst hängt mit Fruchtbarkeit zusammen, auch der Hirsch will die Art erhalten. Mit den Projektionen an der Bühnenwand zeigt Becker, dass die Akropolis das erste Reihenhaus der Weltgeschichte war und Caspar David Friedrich immer Glück mit dem Wetter hatte. Dass der Arsch der Welt nicht in der Eifel liegt, sondern von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle gemalt wurde und dass Rubens – Bauch, Beine, Po und malerische Freude an Cellulitis ließen es vermuten – in Köln mal Trude Herr begegnet sein muss. Und wo Jacques-Louis Davids berühmtes Gemälde des ermordeten Marat in der Badewanne zu sehen ist, sei auch konsequent: „Wer politisch tot ist, hängt am Ende in Brüssel.“
Apropos politisch tot. Da ist die Sache mit dem Wechsel. Seit 2011 demonstriert Becker die Profillosigkeit deutscher Politiker im Kontrast zu den Profilköpfen der Pharaonen mit Philipp Rösler. Kein Problem, an dieser Stelle zeigt er jetzt Merkel. Die These „Das Bild ist quasi der Mensch“, die seit der Höhlenmalerei gilt, belegte er bislang mit Guido Westerwelle. Man zerschneide und zerhacke dessen Foto in der Zeitung nicht einfach, „weil uns schwant, was man dem Papier antut, passiert dem Mensch auch“. Was macht Becker jetzt zur Demonstration? Er zerfetzt das Bildnis der Beate Zschäpe. Und da ist es wie in der Politik: Mal glückt der Wechsel, mal geht er schief.